Lea Raspini geht gerne surfen in Sri Lanka. Eine Surfwelle für Stuttgart fände sie trotzdem gut, auch als Treffpunkt unter Gleichgesinnten. Foto: privat/ Finn Karstens

Stuttgart soll eine künstliche Neckarwelle bekommen. Doch gibt es überhaupt genügend Surfer, eine Szene, die diese nutzen würde? Ein Gespräch mit drei Surf-Fans.

Stuttgart - Eine Surfszene in Stuttgart? Unwahrscheinlich, dass es das gibt. Was sollten Surfer auch tun hier? Kürzlich haben einige engagierte Stuttgarter im Restaurant Cassiopeia in Untertürkheim ihr Projekt Neckarwelle vorgestellt – eine Flusswelle im Stile des Münchner Eisbachs. Das Restaurant war an diesem Abend brechend voll, zum anschließenden Paddle-Up, quasi einer kleinen Surfdemonstration auf dem Neckar, kamen immerhin rund 50 Surfer, Paddler und Kajakfahrer zusammen. Einige Surffans scheint es in Stuttgart doch zu geben, weshalb die Welle sicherlich Anklang finden würde. Davon ist zumindest Carina Weisenburger überzeugt: „Surfer gibt es hier natürlich, aber die wissen bisher nicht, was tun.“ Die meisten würden wohl, wie sie selbst auch, jeden Urlaubstag an einem Surfspot verbringen – in Südfrankreich, Portugal oder an der Atlantikküste.

Zum Surfen müssen viele Wassersportfans um die Welt jetten

Zum ersten Mal auf einem Surfbrett stand die 28-Jährige vor etwa zehn Jahren in Kanada. Später hatte sie irgendwann mit ihrem Freund die Idee, einen Surfurlaub zu machen. „Da war er auch angefixt.“ Seitdem verbringen die beiden 30 Tage im Jahr auf dem Brett – irgendwo in Sri Lanka, Teneriffa, Nicaragua oder auf Bali. „Bis jetzt machen wir Wellenreiten auf dem offenen Meer“, sagt sie. Doch in Portugal hätten sie in einem Surfcamp zwei Münchner kennen gelernt. „Die haben so vom Eisbach geschwärmt“, ergänzt Weisenburger, die seit neun Monaten in Stuttgart lebt.

Da habe man unter Stuttgarter Surfern herumgesponnen, wie gut so eine Welle für die Stadt wäre. Einer davon, Julian Bubeck, ist auch im Team Neckarwelle dabei. „Es wäre wirklich cool, wenn das umgesetzt würde“, ergänzt Carina Weisenburger.

Surfen gilt längst als Trendsport – und großer Wirtschaftszweig

Laut dem Team Neckarwelle wuchs die Anzahl der Surfer weltweit von 2001 bis 2011 von 26 auf 35 Millionen, davon lebten fünf Millionen in Europa. Die Surfindustrie habe zum Beispiel im Jahr 2010 im Einzelhandel rund 22 Milliarden Dollar umgesetzt, 25 Prozent davon in Europa. Das sei mehr als die Snowboardindustrie, so sagte Martin Jetter bei der Präsentation im Cassiopeia.

Stuttgart ist an diesem Umsatz allerdings nicht beteiligt. Richtige Surfshops gibt es in der Stadt nicht. „Man kann hier nicht mal einen Neoprenanzug oder Wachs kaufen“, klagt Lea Raspini. Doch das ist für sie nicht das Schlimmste. Beim Paddle-Up vor dem Cassiopeia war sie dabei. „Da waren so viele Surfer und Paddler“, sagt Raspini, die seit etwa zwei Jahren in Stuttgart lebt – und sie habe sich gefragt: „Wo seid ihr alle im Alltag?“ Wie Weisenburger jettet sie so oft wie möglich ans Meer. Dreimal war sie im Winter in Sri Lanka. Eine häufige Kritik an der Flusswelle, das Wasser sei zu schmutzig, kann sie gar nicht verstehen. „Das ist in Indien oder Sri Lanka nicht sauberer.“

Münchern sind Menschen mit Surfbrett unter dem Arm im Stadtbild gewöhnt

Raspini ist in München aufgewachsen, hat in Mainz studiert. Für sie ist es rätselhaft, dass es in Stuttgart zwar einen Fluss gibt, dieser aber verbaut ist. Es finde zu wenig Leben am Wasser statt. Ein paar Surfer in der Bahn findet sie auch gut fürs Stadtbild. Das ist sie aus ihrer Heimatstadt München gewohnt. Auf dem Eisbach dort war sie zwar noch nie surfen. Aber: „Ich habe meinen Geheimtipp in München.“

Martin Schimanski hat Flusssurfen schon in München probiert, den Eisbach kennt er. „Das ist eine gute Alternative, um Spass auf der Welle zu haben“, sagt der 44-jährige Wahl-Stuttgarter. Aber eigentlich habe jeder Surfer eine „imaginäre Landkarte im Kopf“ mit den besten Surfspots weltweit. Bei ihm stehen dort noch einmal Sri Lanka, Costa Rica ebenso wie Südamerika.

Aus Stuttgart kennt er viele andere Surfer. „Eine Szene gibt es“, sagt er, „absolut.“ Auch wenn er sich selbst nicht als repräsentativ für die hiesige Surfszene sieht. Aber er kenne einige Anlaufstellen wie die Fun Box in Ludwigsburg, ein Surf-, Snow- und Wakeboardshop, oder den Surf- und Sportshop Schumacher in Nürtingen. Auch seien die Surf-Movie-Nights immer innerhalb von zwei Tagen ausverkauft.

Eine Flusswelle würde Stuttgart sexy machen

Was der Szene fehlt: „Ein Spot, an dem wir uns treffen können“, sagt Carina Weisenburger. Das findet auch Lea Raspini: „Eine Surfwelle würde Stuttgart sexy machen.“