Die Mutter von Gabriela Gayko ist gebürtige Marbacherin. Deshalb hat die 46-Jährige auch viel Verwandtschaft in der Schillerstadt: Das linke Foto zeigt ihre Familie, die noch heute in Marbach wohnt, und das rechte Foto ihre Großeltern, die ebenfalls aus Marbach sind. Foto: avanti

Im Schwabenalter hat sich die US-Amerikanerin Gabriela Gayko aus vollem Herzen für die Schillerstadt als neue Heimat entschieden. Die Sehnsucht nach der Stadt begleitet sie schon seit Kindheitstagen.

Marbach - Wie intensiv prägende Erfahrungen in der Kindheit die Biografie eines Menschen bestimmen, das zeigt sich an Gabriela Gayko. Die Amerikanerin und jetzige Marbacherin ist aber nicht nur ein schillernder Beweis dafür, sondern auch für das Wirken familiärer Bande steht sie als Paradebeispiel zur Stelle. Beim Gespräch mit der 46-Jährigen sprudelt die Lebensfreude parallel zu den Erinnerungen aus ihr heraus: Erinnerungen, die sie bis zum heutigen Tag mit Marbach verbinden und die dazu geführt haben, dass ihr sehnlichster Wunsch 2017 in Erfüllung ging: nämlich in der schwäbischen Schillerstadt sesshaft zu werden.

Die Mutter ist in Marbach aufgewachsen

Eine Entscheidung, die Gabriela Gayko, die seit ihrem 18. Lebensjahr die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, erst nach über vier Lebensjahrzehnten fällte. „Leider, das bedaure ich sehr“, sagt sie heute, „denn ich hätte diesen Entschluss am liebsten schon nach dem Besuch des College gefasst“. Doch es kam anders. Wie, das schildert Gabriela Gayko im Hin und Her der Ereignisse, bei der auch die Worte „Angele“, „Kaufhaus Gross“ oder „Ziegelstraße“ fallen. Sowie ein Mix von Jahreszahlen und Eckdaten. 1975 wird sie in New Jersey geboren.

Ihr Vater – ein Preuße – und die Mutter, die in einem „inzwischen abgerissenen Haus gegenüber der Tankstelle“ in der Marbacher Schillerstraße aufgewachsen ist, begegnen und verlieben sich nämlich nicht etwa in Deutschland. Nein, sie lernen sich in den USA kennen. Nachdem die beiden in New York geheiratet haben, leben sie zunächst in New Jersey, wo auch ihre einzige Tochter Gabriela geboren wird.

„Ich habe nur noch Schwäbisch gesprochen“

Es ist der Ort Chappaqua, wo die Tochter schließlich ihre ersten fünf Jahre verbringt, bevor die Eltern entscheiden, zurück nach Deutschland zu gehen. Der Vater will dort mit Gabrielas Tante ein Restaurant in Wüstenrot führen. „Da haben wir tolle Jahre gehabt“, erinnert sich Gayko auch daran, dass die beiden später noch ein Hotelprojekt stemmen wollten. Das aber scheiterte. Enttäuscht will der Vater zurück in die USA – doch zuvor bleibt die kleine Familie bei den Großeltern Gabrielas in Marbach.

Dort besucht das Mädchen ein halbes Jahr die Grundschule und „verlernt darüber die englische Sprache“, wie sie erzählt: „Ich habe nur noch Schwäbisch gesprochen und kein Englisch mehr verstanden.“ Sie genießt die Zeit mit ihrer Verwandtschaft, unter anderem die mit ihren Cousins und Cousinen, „die für mich noch heute wie Geschwister sind“. Gabriela gefällt das Zusammenleben, das Musizieren und Feiern. „Mein Opa hat Akkordeon gespielt, mein Onkel Klavier. Es war ein Traum für mich als Einzelkind, so zu leben!“

Die Sehnsucht nach Marbach bleibt

Der Schmerz ist groß, als es schließlich zurück nach Amerika geht. Doch von da an sind die Sommerferien vorprogrammiert: Gemeinsam mit der Mutter geht es zu den Großeltern nach Marbach zur „Family time“. „Ich habe in diesen acht Wochen mehr und intensiver gelebt als in den restlichen Wochen des Jahres“, beteuert Gabriela: „Und ich habe dort meine prägendsten Erfahrungen gemacht.“ Später kommt sie noch einmal für ein halbes Jahr als Austauschstudentin nach Tübingen. Danach ist erst einmal Schluss mit den Deutschlandbesuchen. Ihr Job im Büromanagement bindet sie viel zu stark. Dafür kommen jedoch die Cousinen öfter mal zu Besuch in die USA. Der Kontakt bleibt intensiv.

Die Sehnsucht aber nach der „kleineren Stadt, wo ich so viele kenne“ pulsiert weiter in ihr. „Und weil ich selbst keinen Mann und keine Kinder habe, wagte ich schließlich den Entschluss, die Zelte in den USA abzureißen. Jetzt bin ich halt die verrückte Tante aus Amerika“, sagt sie lachend und erzählt, wie beeindruckend es für sie gewesen sei, wieder in Marbach zu sein.

Nach der Einwanderung startet sie eine neue Ausbildung

Nach ihrer Einwanderung kommt sie erst in Benningen bei Verwandten unter; kurze Zeit später findet sie eine Wohnung in dem Haus in Marbach, in dem auch ihr Cousin wohnt. Sie arbeitet für zwei Logistikunternehmen. Doch Gabriela stellt schnell fest, dass ihr die Arbeit als Büromanagerin nicht mehr zusagt: „Zu kalt, zu steril.“

Ihre geistige Beweglichkeit demonstriert Gayko daraufhin ein weiteres Mal: „Weil ich schon immer gerne und gut mit Kindern konnte“, startet sie eine Ausbildung als Erzieherin: „Seit September arbeite ich nun vorwiegend mit jungem Gemüse zusammen.“ Die finanzielle Situation bewertet sie als „eng, aber machbar“. Gabriela empfindet Glück darin, dass „ich nahe bei meiner Familie bin und Unterstützung von allen Seiten bekomme“. Ein Wermutstropfen findet sich in dieser wundersamen Geschichte dann aber schlussendlich doch noch. Dass sie ihre Eltern in den USA zurücklassen musste, das schmerzt die Frau, die aber weiterhin eng mit ihnen verbunden ist: „Mein Entschluss war schwer für sie – aber irgendwann musste ich mich einfach entscheiden.“