Der Umgang mit einer gut zwei Meter langen, rund 2000 Euro teuren Zugsäge will trainiert sein. Foto: Frank Eppler

Mit bis zu 80 PS starken Sägen sind die Profis beim Sportholzfällen zugange. Im beschaulichen Murrhardter Teilort Vordermurrhärle haben am Samstag rund 2000 Besucher das Spektakel mit Säge und Axt beobachtet.

Murrhardt - Der Weg zum Sägen- und Axtspektakel führt durch einen idyllischen Wald. Ein kurvenreiches schmales Sträßchen schlängelt sich von Murrhardt den Berg hinauf. Vogelgezwitscher. Mit einer letzten Kurve schwenkt die Straße aus dem Wald. Wow. Von wegen ruhiges Landleben. Ein großes Festzelt steht auf der Hochfläche, aus Lautsprechern dröhnt „Jump“ von Van Halen. Hunderte von Autos parken die üppig grünen Wiesen zu – und Besucher pilgern scharenweise auf eine abgeschrankte Weide zu.

Die Kennzeichen der Fahrzeuge sprechen für sich: viele Gäste aus dem Rems-Murr- und dem Ostalbkreis sind da, aber auch aus Tauberbischofsheim, dem Kreis Heilbronn, aus Stuttgart und aus Mannheim haben manche die Fahrt nicht gescheut – nach Vordermurrhärle, in einen Teilort der Stadt Murrhardt mit rund 40 Einwohnern. An diesem heißen Samstag hat sich die Bevölkerungszahl schlagartig um das rund Fünfzigfache erhöht.

Ausnahmezustand im 40-Seelen-Ort

Der Anlass für diesen Ausnahmezustand ist das Weidefest, das die Galloway-Rinderzüchter Heike Streubel und Uwe Kugler alle Jahre wieder an ihrem Wohnort veranstalten. Der Publikumsmagnet in diesem Jahr ist ein Wettkampf im Sportholzfällen, bei dem unter anderem Dirk Braun mit Kettensäge, und Axt in Aktion tritt. Der 47-jährige Forstwirt ist mehrfacher Deutscher Meister und hat im vergangenen Jahr zudem einen neuen Weltrekord in der Disziplin „Hot Saw“ aufgestellt.

Was es mit der „heißen Säge“ auf sich hat, das kann Christopher Borghorst erklären, der beim Wettkampf für die Pressefragen zuständig ist. Dabei handle es sich um eine getunte Motorsäge, die mit ihren bis zu 80 PS und einer Kettengeschwindigkeit von rund 240 km/h mehr zu bieten hat als so mancher Kleinwagen. Aufgabe des Sportholzfällers ist es, mit dieser Säge drei vollständige Holzscheiben von einem waagrechten Stamm abzuschneiden, wobei dieser insgesamt maximal 15 Zentimeter kürzer werden darf. Ein Kraftakt.

Letzte Woche Hamburg, diese Woche Vordermurrhärle

An der Kasse stehen derweil die Besucher, vom Kindergartenkind über den üppig tätowierten Mittdreißiger bis zum Opa, Schlange. Sportholzfällen, auch Timbersports genannt, weckt offenkundig generationenübergreifendes Interesse. „Ich denke mal, die 2000 Plätze sind im Laufe des Nachmittags voll belegt“, sagt Borghorst: „Die Wettkämpfe sind eine gute Familienunterhaltung.“ Es gebe aber auch echte Fans, die ihren Sportidolen hinterreisten. Vier Wettkämpfe pro Jahr gibt es im Rahmen der Stihl Timbersports Series in Deutschland, erklärt Borghorst: „Vergangene Woche waren wir in Hamburg.“ Nun also Vordermurrhärle bei wolkenlosem Himmel und brütender Hitze.

Kaum hat der Murrhardter Bürgermeister Armin Mößner auf der Bühne seine Stadt und deren waldreiche Umgebung als ein „kleines Paradies“ gepriesen, geht es auch schon los. Kettensägengeknatter im Garten Eden: sieben Rookies, sprich Nachwuchssportler, aus Deutschland, Frankreich und Tschechien, treten unter den Augen eines niederländischen Schiedsrichters gegeneinander an.

„Cookies“ – Kekse aus Holz

Da das Sportholzfällen seine Wurzeln im englischsprachigen Raum hat, hagelt es nur so englische Fachbegriffe. Statt Holzscheiben sägen die Sportler „Cookies“, „Kekse“, vom Stamm, mit den Worten „Hands on the wood“ fordert der Kampfrichter sie auf, in Startposition zu gehen und im Falle einer Disqualifizierung, etwa wegen eines Frühstarts, zückt er eine „yellow flag“. Die Rookies kämpfen sich durch schweißtreibende vier Disziplinen, die Fortgeschrittenen müssen beim Amarok Cup später gleich sechs bewältigen. Das Publikum sitzt, schaut, feuert die Sportler an – und schwitzt solidarisch mit.

Einige hundert Meter weiter stehen die dunkelbraunen „Galloways vom Schwäbischen Wald“ auf einer Wiese, grasen und feiern ihr eigenes, stilles Weidefest.

Eine Sportart mit langer Tradition

Sportholzfällen
Der Begriff Stihl Timbersports Series bezeichnet einen internationalen Holzfällerwettbewerb. Er hat sich aus Wettkämpfen entwickelt, welche Waldarbeiter bereits im 19. Jahrhundert in den Vereinigten Staaten, Kanada, in Neuseeland und Australien geführt haben.

Deutschland
Seit dem Jahr 2001 gibt es auch eine nationale Meisterschaft in Deutschland. Für Sportholzfäller und solche, die es werden wollen, bietet der Stützpunkt in Mellrichstadt (Rhön) Trainingscamps an.

Disziplinen
Die Wettkämpfe finden in sechs Disziplinen statt. Bei „Springboard“ schlagen die Sportler mit einer Axt Kerben in einen stehenden Stamm, verkeilen darin Trittbretter und klettern in die Höhe. Oben wird ein Holzblock durchschlagen. „Stock Saw“ bedeutet, dass die Athleten zwei Scheiben von einem waagrechten Stamm schneiden müssen, dabei müssen sie innerhalb eines Bereichs von zehn Zentimetern bleiben. Bei „Standing Block Chop“ muss ein Stamm mit einer Axt von beiden Seiten durchtrennt werden, bei „Underhand Chop“ steht der Sportler auf dem Stamm, den er durchschlagen muss. Für „Single Buck“ wird eine Holzscheibe mit einer zwei Meter langen Zugsäge abgetrennt, bei „Hot Saw“ gilt es, drei Scheiben mit einer getunten Säge abzuschneiden.