300 Biersorten gibt es bei der Schwäbischen Bierbörse in Böblingen und Sindelfingen. Foto: dpa

Guinness gilt nach deutschem Recht eigentlich nicht als Bier, auch belgisches Bier gilt als unrein, sagt der „Bierprofessor“ der Uni Hohenheim vor der Schwäbischen Bierbörse in Böblingen und Sindelfingen.

Böblingen - „Bier, Wein und Spirituosen. Das ist meine Jobbeschreibung“, sagt Ralf Kölling-Paternoga. Im akademischen Deutsch klingt sie so: Professor für Hefegenetik und Gärungstechnologie an der Uni Hohenheim. Sein wissenschaftlicher Einsatz konzentriert sich derzeit auf die Herstellung von Bioethanol als Treibstoff, aber Kölling-Paternoga ist, wiederum landläufig formuliert, auch Bierprofessor.

Als solcher bekommt er gelegentlich Schelte, sogar schriftlich. „Der Brauerbund hat mir einen geharnischten Brief geschickt“, sagt er. Das war im vergangenen Jahr, als er ausgerechnet zum 500-jährigen Bestehen des Deutschen Reinheitsgebots zur Kenntnis gab, dass es mit der Reinheit nicht allzu weit her sei, das Gebot getrost gelockert werden dürfe.

Schwäbische Bierbörse in Böblingen und Sindelfingen

Seine Argumente verstehen auch Nichtakademiker. Guinness gilt nach deutschem Recht nicht als Bier. „Das muss man einem Engländer mal erklären“, sagt Kölling-Paternoga. Das Reinheitsgebot verhindere Vielfalt, auch geschmackliche. Belgisches Bier gilt ebenfalls als unrein. Einst erdacht in Bayern, wurde das Gebot verwässert, kaum dass es erfunden war. Weizen sollte zum Brauen nicht mehr verwendet werden dürfen, weil er als Brot das Volk ernähren sollte, aber „der Herzog wollte Weizenbier trinken“, sagt der Professor.

Mehr als 300 verschiedene Sorten werden bei der Schwäbischen Bierbörse in Böblingen und Sindelfingen (18. bis 20 August) zu verkosten sein, darunter sogar Schokoladenbier. Der Professor zuckt mit den Schultern. Einst wurden alle erdenklichen Stoffe dem Bier beigemischt, sei es des Geschmacks, sei es der berauschenden Wirkung wegen. Seine Studenten haben schon Bier aus Saft oder Kartoffeln gebraut. Grundsätzlich kann so ziemlich alles das Malz ersetzen, was Zucker liefert, den Bakterien fressen, um Alkohol und Kohlensäure auszuscheiden.

Stele mit Brauregeln aus Mesopotamien

Nur „ganz ohne Malz geht es nicht“, sagt Kölling-Paternoga. Auch das haben sie erprobt: Malz gegen Amaranth zu ersetzen, um glutenfreies Bier herzustellen. Das Ergebnis war wenig überzeugend, anders als beim Kartoffelgebräu. Dem Professor hat es sogar vollmundiger geschmeckt als gewöhnliches Bier, seinen Studenten allerdings war der Geschmack zu fremd.

Ralf Kölling-Paternoga Foto: factum/Granville

Ja, sagt er, allzu viel sei nicht mehr zu erforschen an einem Getränk, dessen Geschichte um die 10.000 Jahre zurückreicht. Die älteste schriftliche Überlieferung von Brauereitradition stammt aus Mesopotamien: eine Stele, auf der Brauregeln vermerkt sind, eine Art urzeitliches Reinheitsgebot für das Zweistromland. Mancher Historiker vertritt gar die These, dass die Landwirtschaft nur erdacht wurde, um schneller und mehr Getreide für die Bierproduktion zu gewinnen. „Fest steht, dass die Entwicklung Hand in Hand ging“, sagt Kölling-Paternoga. „Das mag eine Motivation gewesen sein.“

Für Feste braut das Institut größere Mengen

Die Menge und Konsistenz des Schaums bleibt ein beliebtes Forschungsthema. Sie ist bestimmt davon, wie welche Moleküle während des Brauprozesses chemisch miteinander reagieren. Unterschiedliche Geschmacksrichtungen versuchen die Studenten ebenfalls zu erproben. Oft, um festzustellen, dass niemand einen Geschmacksunterschied bemerkt.

Für Feste braut das Institut größere Mengen. Der größte Teil des universitären Biers wird aber nicht in Kehlen, sondern in den Abfluss geschüttet. Nicht des Geschmacks wegen. „Der ist hervorragend“, sagt Kölling-Paternoga, „weil wir viel Erfahrung haben“. Aber wer im größeren Maßstab braut, muss Biersteuer zahlen. Nicht der Betrag, aber der Verwaltungsaufwand dafür schreckt die Uni. Weshalb es im institutseigenen Laden kein Bier zu kaufen gibt, sondern nur die regelmäßig preisgekrönten Hohenheimer Schnäpse.

Das Brauen ist kein Hexen-, sondern „ein Handwerk, man muss nur sauber arbeiten“, sagt der Professor. Auch unter Brauern „gibt es eben gute Handwerker und schlechte, wie überall“. Auf die Qualität der Zutaten komme es an, auf die richtige Zusammensetzung und nicht zuletzt schlicht auf Reinlichkeit, damit keine unerwünschten Bakterien ins Bier geraten und Stoffe produzieren, die den Geschmack vergällen. Das sind die Tipps des Professors für Hobbybrauer. Auch dem Trend, selbst zu brauen, hat sich sein Institut gewidmet. Das Ergebnis einer Untersuchung der unterschiedlichsten Sets, die im Angebot sind, war eher ernüchternd als berauschend, meint Kölling-Paternoga: „Da waren die wildesten Mischungen dabei.“ Dem Reinheitsgebot hätten sie wohl entsprochen, aber nicht dem der Reinlichkeit.

Schwäbische Bierbörse in Böblingen und Sindelfingn

Premiere: Die Städte Böblingen und Sindelfingen sind zum ersten Mal Veranstaltungsort einer Bierbörse, in diesem Fall der schwäbischen. Bierbörsen veranstalten aber deutschlandweit 25 Städte – von Bonn bis Borken. Der Erfinder hat sich den Begriff sogar patentrechtlich schützen lassen.

Programm: Die Bierbörse beginnt am Freitag, 18. August, um 15 Uhr und endet am Sonntag um 20 Uhr. Der Hauptprogrammpunkt sind die 300 Biersorten. Am Freitag um 19 Uhr, Samstag um 18.30 und Sonntag um 14 Uhr spielen Bands. Veranstaltungsort ist das beiden Städten gemeinsame Baugebiet Flugfeld. Besucher können, gleich ob vom Bahnhof oder der Autobahn, den Schildern zur Motorworld folgen.