Der vielleicht größte Tiefpunkt in der Saison des VfB Stuttgart: Das unrühmliche Aus von Kevin Großkreutz. Foto: dpa

Der VfB Stuttgart ist zurück in der Fußball-Bundesliga. Dennoch gab es über die Saison hinweg einge Rückschläge zu überwinden. Einer davon: Der Fall Kevin Großkreutz.

Stuttgart - Es ist ja alles gut ausgegangen. Daher würde man sie am liebsten ausblenden, jene Momente, die einen im Laufe der Saison wieder in Zweifel gestürzt haben, ob der VfB Stuttgart es tatsächlich schafft, nach der Schmach des Abstiegs nach einer kurzen Auszeit sofort wieder aufzusteigen. Und die Angst hat einen in manchen Situationen beschlichen, dass es doch schiefgehen könnte mit dem schnellen Comeback. Wie bei so vielen anderen Traditionsvereinen, die wie in einer Endlosschleife in der zweiten Liga festhängen.

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Es begann nicht wirklich gut, mit einem quasi vorsaisonalen Tiefpunkt, als der Verein für einige Zeit ohne Sportdirektor und Präsident funktionieren musste, nachdem man sich von Robin Dutt getrennt hatte und Bernd Wahler zurückgetreten war. Und das in einer Phase, in der wichtige Entscheidungen getroffen werden mussten.

Schindelmeiser und Dietrich stoßen dazu

Das Vakuum füllte zunächst Jan Schindelmeiser als neuer Sportvorstand, ehe später Wolfgang Dietrich zum neuen VfB-Boss gekürt wurde. Der Anhang hofft auf Konstanz der handelnden Personen, zuletzt hat der Verein Scharen von Sportdirektoren, Trainern, Spielern verschlissen – und jede Menge Präsidenten.

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Nach dem Happening am ersten Spieltag gegen St. Pauli herrschte beim zweiten Heimspiel und dem 1:2 gegen den 1. FC Heidenheim wieder ein Gefühl von Leere. Und dann hatten diese Blamage gegen den kleinen Verein von der Ostalb auch noch 52  000 Zuschauer erlebt, die sich an einem lauen Sommerabend bestens unterhalten lassen wollten. Nur ein Tor durch Toni Sunjic durfte bejubelt werden. Dafür kassierte er bei seiner eigentlichen Aufgabe als Innenverteidiger die Note „mangelhaft“. Und schon stand am Ende wieder die Null in Sachen Punkte. Da poppten gleich die Erinnerungen an die vergangene Saison des Grauens auf, in der das Team 19 Spiele verloren hat, davon zehn vor eigenem Publikum. Erschreckend, wie verängstigt das Ensemble des damaligen Trainers Jos Luhukay über den Rasen schlich. Böses war zu befürchten. Denn in Stuttgart, das weiß man, kann die Stimmung schnell ins Unterirdische kippen.

VfB-Profis werden schnell nachlässig

Noch grausamer wurde es im dritten Spiel unter Luhukays Nachfolger Hannes Wolf beim 0:5 in Dresden – aber wenigstens setzte es die Blamage nicht vor heimischer Kulisse. Gegen Dynamo hatte der Trainer einen sehr speziellen Charakterzug seiner Formation kennengelernt: Kaum, dass es ihr vermeintlich etwas besser geht, neigen die Spieler dazu, nachlässig zu werden. Vielleicht dachte der eine oder andere Profi im Unterbewusstsein, dass er von der Veranlagung her nichts in der zweiten Liga zu suchen hat. Konsequenz: Es führt zur Selbstüberschätzung und letztlich zur Selbstzufriedenheit.

Der Herbstdepression folgte ein kurzes Zwischenhoch, um den Fans dann doch die Adventsstimmung zu verderben. Beim 1:2 gegen den Mitbewerber Hannover lief in der 87. Minute ein ziemlich konfuser Film ab, in dem Torwart Mitch Langerak unfreiwillig eine komische Rolle übernahm. Der Keeper hatte die irre Szene mit einem schwachen Abstoß eingeleitet, Maxim macht es mit einem noch schwächeren Rückpass schlimmer, statt den Ball unter Bedrängnis einfach ins Seitenaus zu lassen. Langerak zögerte beim Herauslaufen, Hannovers Karaman ging auf den Keeper zu und fiel. Der Torwart hob unschuldig die Arme, vergaß das Spiel – und Klaus schob die Kugel in das verwaiste Tor zum Siegtreffer.

Der Fall Kevin Großkreutz überschattet vieles

Die Einsicht, dass es so nicht weitergeht, schien nicht gekommen zu sein, denn es setzte ein 0:3 bei den Würzburger Kickers. Damit hatte sich der VfB die Chance auf eine sehr gute Vorrunde nehmen lassen. Wieder waren Wolfs Männer gegen einen Aufsteiger nicht effizient genug und lieferten ein fehlerbehaftetes Spiel. Gut, dass es beim 4:0 wenigstens in Aue geklappt hat, sonst hätte eine Aufsteigerphobie diagnostiziert werden müssen. Der Auftritt in Würzburg war aber gruselig, da man diesen Eindruck mit in die Winterpause genommen hat.

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Der nächste Tiefschlag spielte sich nicht auf dem Rasen, sondern im Stuttgarter Rotlichtmilieu ab. Ausgerechnet von Kevin Großkreutz, dem Mentalitätsmonster, dem Kultkicker, den die Fans in ihr dunkelrotes Herz geschlossen hatten, musste sich der Verein trennen. Grund war nicht das anekdotische Vorstrafenregister, das der ehemalige Nationalspieler mit sich herumgetragen hat. Der Verein hatte aber keine andere Wahl – zu gravierend war der nächtliche Vorfall, mit dessen Details der VfB nicht herausrücken wollte.

Es war durchgesickert, dass der Außenverteidiger auf einer nächtlichen Tour mit minderjährigen Jugendspielern des Vereins war, inklusive Bordellbesuch, Alkohol und anschließender schwerer Prügelei. Der Schnitt war unausweichlich. Mit welchen Argumenten hätte der VfB künftig Eltern davon überzeugen sollen, dass ihr Sohn im Nachwuchsleistungszentrum in guten Händen ist. Großkreutz durfte sich anständig verabschieden und drückte fortan aus der Ferne die Daumen. Ein Wiedersehen auf dem Platz ist nicht in Sicht, denn der Verteidiger hat sich den abgestiegenen Lilien aus Darmstadt angeschlossen.