Reinhard Wolf zeigt auf dem Bild ein Foto, das vor Jahren an derselben Stelle gemacht worden ist. Der Sulzbach läuft auf eine Dole zu. Foto: Armbruster

In den Sechzigerjahren wurden viele Gewässer einbetoniert und begradigt. Es waren Bausünden mit Folgen, die sich aber zum Glück auch rückgängig machen lassen.

Marbach-Rielingshausen - Zwischen den beiden Bildern liegen 35 Jahre. Und auch wenn man es kaum glauben mag, sie zeigen nahezu dieselbe Stelle am Rielingshäuser Sulzbächle, wie die Einheimischen den kleinen, nur zweieinhalb Kilometer langen Wasserlauf nennen, der von Rielingshausen aus zur Murr fließt. Wenn man diesen Riesenunterschied sieht, dann ahnt man schon: Es sind nicht nur die Jahre, die zwischen den Bildern liegen, sondern auch jede Menge privates Engagement, um aus dem in ausgeräumter Landschaft und in Sohlschalen aus Beton eingezwängten und zum Teil verdolten Bach das zu machen, was er einmal war: ein lebendiges Gewässer in einer Umgebung, in der sich Mensch und Tier gerne aufhalten.

Dass in Hecken, Bäumen und Büschen entlang des Sulzbächles heute wieder Vögel zwitschern und Bienen summen, dass im ufernahen Bereich wieder gelbe Schwertlilien, Schilf und Seggen gedeihen und Libellen im Sonnenlicht tanzen, das ist dem Marbacher Naturschützer Reinhard Wolf und der damaligen Ortsgruppe des Schwäbischen Albvereins, aber auch dem früheren Bürgermeister Heinz Georg Keppler zu verdanken. Der hatte nämlich anno 1986 ein offenes Ohr, als Wolf auf ihn zukam mit dem Vorschlag, den Bach zu renaturieren, und regelte das auf dem kleinen Dienstweg.

Skeptiker meinten: Das kann nichts werden

Und so rückten im April 1987 rund 25 engagierte Ehrenamtliche des Schwäbischen Albvereins an und pflanzten bis zu vier Meter lange Kopfweiden-Stecklinge, die am Rand des Hörnles geschnitten worden waren. Wobei: Die eigentliche Baumpflanzung hat ein Bagger vorgenommen, nachdem ebenfalls ein Bagger zuvor die Sohlschalen entfernt hatte. Und die Pflanzung der Stecklinge, die für den Laien einfach aussahen wie kleine Baumstämme, rief denn auch einiges Kopfschütteln der Ortsansässigen hervor, erinnert sich Reinhard Wolf: „Die meinten: Ihr spinnt doch, das kann doch nichts werden!“ Und auch er selber räumt ein: „Das sah schon komisch aus am Anfang.“ Doch schon im Jahr darauf wurden die Skeptiker eines Besseren belehrt. Denn da zeigten die Hörnles-Ableger schon frisches Grün, wie auf einem der vielen Fotos zu sehen ist, die Wolf seinerzeit gemacht und alle in einem dicken Leitzordner, fein säuberlich beschriftet, abgelegt hat. Und nicht nur das: Das einst zwangsweise begradigte Bächle darf auch wieder in den vertrauten Schlangenlinien fließen, die auf alten Flurkarten noch verzeichnet sind. So bilden sich, auch dank bewusst ins Bachbett gelegter Steine, ganz unterschiedliche Zonen: In manchen Bereichen steht das Gewässer fast, an anderen plätschert es mit silberhellem Klang dahin, als ob es sich freuen würde, wieder frei zu sein.

Nur etwa zehn Prozent der heutigen Bäume und Sträucher wurden gepflanzt, erklärt Wolf. „Alles andere sind Naturverjüngungen.“ Die allerdings von den Albvereins-Mitgliedern regelmäßig gepflegt werden und wurden. Woran man sehen könne, dass Vielfalt Leben schaffe, Monotonie dagegen Einöden.

Aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt

Warum das Sulzbächle in den Sechzigerjahren überhaupt in ein Betonbett gezwängt wurde, erschließt sich heute nicht mehr so recht. „Das hing mit der Flurbereinigung zusammen und der Intensivierung der Landwirtschaft, man wollte alles möglichst regelmäßig und gut erreichbar haben“, glaubt Wolf. Heute gehe man zum Glück wieder den umgekehrten Weg.