Muhterem Aras (Bildmitte) beim Besuch der Jugendfarm auf der Korber Höhe Foto: Lena Lux Fotografie & Bildjournalismus

Überraschende Erkenntnis: Einst hat Muhterem Aras im nördlichen Waiblinger Stadtteil gelebt. Auch andere Kommunen schmücken sich gerne mit früheren Mitbürgern, die später ganz groß herauskamen – etwa Rio Reiser in Schmiden oder Joschka Fischer in Oeffingen.

Metropolen, aber auch Kleinstädte schmücken sich gerne mit Prominenten, die in ihrem Flecken geboren sind oder zumindest ein paar Jahre ihres Lebens dort verbracht haben – und sei es nur in Kindergarten- oder Grundschulzeiten. Oft ist es allerdings so, dass selbst Einheimische nicht wissen, dass einige Generationen zuvor ein späterer Hochkaräter in derselben Schulturnhalle wie sie vom Sportlehrer getriezt wurde.

So ist bestimmt nur wenigen geläufig, dass der spätere „König von Deutschland“ einst durch die Gassen von Fellbach stromerte. Denn Ralph Christian Möbius wurde zwar am 9. Januar 1950 in Berlin geboren, doch seine Eltern zogen mehrfach um und landeten Ende der 1950er Jahre im damals noch eigenständigen Schmiden. Sein späterer Künstlername Rio Reiser lag da noch in gewisser Ferne. Die Familie Möbius lebte in der Talstraße 3, wo die Wohnungsinhaberin „eine schwere Anhängerin der Kehrwoche“ war, wie es in einem Artikel in Sonntag aktuell 2005 hieß. Ralph ging auf die damalige Friedensschule und später aufs Fellbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium – die „Hölle“, offenbarte Reiser später in seiner Biografie.

Rio Reiser hat das Fellbacher Friedrich-Schiller-Gymnasium besucht

Das Grab von Rio Reiser, der einst unter seinem bürgerlichen Namen Ralph Möbius in der Talstraße in Schmiden lebte Foto: dpa-Zentralbild/Britta Pedersen

2016 erinnerte sich Horst Kraft aus Schmiden im Gespräch mit der Fellbacher Zeitung an seinen Mitschüler: „Er war eher ein unscheinbarer Klassenkamerad, etwas schmächtig, wir haben ihn immer ,s’ Ralfle’ genannt.“ Dass er später „so ein Revoluzzer und Quergeist“ wurde, sei damals nicht absehbar gewesen. Am 20. August 1996 starb Reiser im Alter von lediglich 46 Jahren.

Der nächste Promi wohnte fast zur gleichen Zeit nur wenige Kilometer weiter nördlich. Denn in Oeffingen war von Mitte der 1950er bis Anfang der 60er Jahre der in Gerabronn geborene Joschka Fischer zu Hause, von 1998 bis 2005 Außenminister und Vizekanzler der rot-grünen-Koalition unter Gerhard Schröder. 2007 folgte er als Ehrengast einer Einladung zum Fellbacher Herbst und besuchte dabei auch seine alte Schule, die Schillerschule, und konnte sämtliche Vornamen seiner Mitschüler noch auswendig.

Joschka Fischer: In Betragen und Mitarbeit stets Schulnote eins

Joschka Fischer (rechts) mit Schulkamerad Paul Kaiser im Fellbacher Freibad 1960 Foto: Archiv

Die Schulleiterin hatte sich Joschkas alte Zeugnisse angeschaut: „Der Politiker mit der wildsten Vergangenheit hat in Betragen und Mitarbeit immer die Schulnote eins gehabt.“ Fischers treffsicherer Kommentar: „Das ist ja fast schon geschäftsschädigend.“ Stolz ist man in Oeffingen im Übrigen auf seinen Fußball-Weltmeister von 2014, nach dem einige Wochen später dann auch das Stadion, in dem er einst seine ersten Tricks lernte, benannt wurde: das Sami-Khedira-Stadion.

Historisch noch gewichtiger dürfte jener Jüngling sein, der von 1834 an in der Schorndorfer Höllgasse aufwuchs – Gottlieb Daimler. In Backnang wiederum waren einst mal der von 2004 bis 2010 amtierende Bundespräsident Horst Köhler, der Kabarettist Thomas Freitag oder der aktuelle Nationaltrainer Österreichs, Ralf Rangnick, zu Hause.

Waiblingen wiederum kann spätere bundesweit bekannte Menschen wie Friseur Udo Walz oder Showmaster Alfred Biolek vorweisen. Ein Name tauchte bisher allerdings nirgendwo in den Annalen der Rems-Murr-Kreishauptstadt auf. Dass diese zumindest landesweit bekannte Persönlichkeit jedoch durchaus etwas mit Waiblingen zu tun hat, kam erst jetzt ans öffentliche Tageslicht. Denn Landtagspräsidentin Muhterem Aras war auf Einladung der grünen Landtagsabgeordneten Swantje Sperling im Wahlkreis Waiblingen unterwegs.

Muhterem Aras: Hoher Besuch auf der Korber Höhe

Die grüne Abgeordnete Swantje Sperling (in Pink) und Landtagspräsidentin Muhterem Aras beim Besuch im Waiblinger Stadtteil Foto: Lana Lux Fotografie

Zunächst absolvierte Aras eine Visite im Café Ukraine in Winnenden; dem folgte die Fahrt gen Waiblingen. „Hoher Besuch aus Stuttgart auf der Korber Höhe“, titelte Sperlings Büro. „Für Muhterem Aras war es ein Gang in die eigene Vergangenheit: Vor 38 Jahren hat die Landtagspräsidentin, bevor sie nach Stuttgart zog, in dem Waiblinger Stadtteil gelebt, der dieses Jahr sein 50-jähriges Bestehen feiert.“ Das dürfte auch für den ebenfalls zum Empfang bereitstehenden Waiblinger OB Sebastian Wolf eine veritable Neuigkeit gewesen sein. Denn der offizielle Aras-Lebenslauf offenbart keinerlei Notiz zu Waiblingen oder gar zur Korber Höhe.

Geboren wurde Muhterem Aras am 2. Januar 1966 in einem kleinen Dorf namens Elmaağaç in Ostanatolien. „Ich war gerade zwölf Jahre alt, als wir mit meinen Eltern und Geschwistern nach Filderstadt zogen“, erzählt sie selbst. Als Stationen in ihrer Vita tauchen allerdings nur Städte wie Nürtingen (Mittlere Reife), Stuttgart (Abitur) und Hohenheim (Studium der Wirtschaftswissenschaften) auf.

Rechnet man die von Sperling genannten 38 Jahre ab, hat sie also 1986 mit 20 Jahren die Anfang der 1970er Jahre entstandene Waiblinger Großsiedlung verlassen. „Die Politikerin staunte nicht schlecht, wie sich das Quartier in den letzten Jahrzehnten verändert hat und in Bälde weiter verändern wird“, heißt es in Sperlings Erläuterungen zum Besuch. Wenn die angekündigte umfassende Neugestaltung dann fertig ist, darf Waiblingen mit dem nächsten Gastspiel der Diplom-Ökonomin und Steuerberaterin Aras in ihrer alten Heimat rechnen.