Bis er das Mikrofon tatsächlich fallen lässt, dauert es vermutlich noch ein paar Jahre: „Ich liebe das, was ich mache, viel zu sehr, um stillzustehen.“ Foto: privat/Oliver Lozano

Manche werden ihn noch von seiner Zeit als Sportdirektor bei den Stuttgarter Kickers erkennen, andere von den Handballspielen des TV Bittenfeld in der Porsche-Arena, wo er als Hallensprecher die Zuschauer animiert. Das Moderieren ist das, was Jens Zimmermann liebt – ihm aber auch seine Grenzen aufgezeigt hat.

Filder/Degerloch - Jens Zimmermann sitzt im hintersten Eck eines hippen Eiscafés in der Stuttgarter Innenstadt. Es wirkt beinahe so, als wolle er um keinen Preis auffallen. Er bestellt Kakao und Waffeln mit Früchten, sein Blick huscht in regelmäßigen Abständen beinahe unauffällig auf das Smartphone, das immer wieder Signale von sich gibt. Wie Zimmermann steht es ständig unter Strom. Für die nächsten zwei Stunden widersteht er aber allen Anrufen und Nachrichten. „Ich musste in den vergangenen Jahren lernen, auch einmal Nein sagen zu können“, sagt er.

Mehr als 500 Veranstaltungen moderiert

In den vergangenen 25 Jahren moderierte der 47-Jährige mehr als 500 Veranstaltungen. Die Highlights seiner bisherigen Laufbahn als Moderator waren die Olympischen Spiele in Vancouver (2010) und die in Sotschi (2014). Spektakel, die von Millionen von Zuschauern verfolgt wurden. Sein größter Wunsch war es, einmal das aktuelle Sportstudio im ZDF zu moderieren. „Dafür bin ich aber vermutlich schon zu alt“, schmunzelt er.

Sein Leben wurde von ständigem Zeitdruck und wenig Freizeit geprägt. Er ist eine Rampensau, sagt er von sich selbst. Dieses Leben auf der Überholspur ist ihm zuletzt zum Verhängnis geworden, seine Gesundheit war in Gefahr, worüber er völlig unverblümt redet.

Vom Sportdirektor zum Eventmoderator

Der ehemalige Sportdirektor und Stadionsprecher der Stuttgarter Kickerspeitscht heute die Fans des Handball-Bundesligisten TV Bittenfeld nach vorne. Auf dem Hallenboden in der Porsche-Arena fühlt er sich wohler als auf dem Fußballrasen. „Im Handballsport werden gesellschaftliche und moralische Werte aktiver gelebt, die im Fußball zunehmend verloren gehen, mir aber wichtig sind.“

Der gebürtige Freudenstädter leitet eine Sportmanagement-Agentur für Top-Athleten wie Johannes Rydzek (Olympiasieger Großschanze 2018) oder Ringer Frank Stäbler (Weltmeister 2015 und 2017). Zusätzlich ist er Entertainer, Veranstalter und eben Moderator. Der gelernte Bankkaufmann hat sich dieses Metier autodidaktisch beigebracht. „Ich habe mir viel bei anderen guten Moderatoren abgeschaut und für mich selbst übernommen“, sagt er. Zu seinen Vorbildern gehören Fernsehlegenden wie Günther Jauch oder Thomas Gottschalk. Den ehemaligen „Wetten, dass..?“-Moderator hat er einst bei einer Veranstaltung getroffen. Zimmermann moderierte, Gottschalk lachte über die pointierten Witze. Für ihn war das ein Ritterschlag. Ein Foto vom besagten Abend hat er auf seinem Handy, stets griffbereit, um es stolz herzuzeigen. Spezielle Kurse oder Seminare, um souverän durch ein Event zu führen, habe er nie besucht. „Ich versuche, bei einer Veranstaltung immer, ein Gemeinschaftsgefühl zu erzeugen und nicht aus der Ich-Form zu sprechen, damit das Publikum mit einbezogen wird.“

Manchmal ist die Rampensau nötig

Doch Zimmermann kann auch anders. „Bei Handballspielen oder Skisportveranstaltungen beispielsweise wollen die Leute unterhalten werden.“ Lässt er dann die Rampensau raus? „Definitiv, ohne das geht es nicht“, sagt er. „An einem Gala-Abend wäre das aber in dem Ausmaß sehr unpassend.“ Manchmal hilft es ihm sogar. So passierte es, dass bei einem Skisprung-Event die Stadionboxen den Geist aufgaben. Ein Feuerwehrmann und Zimmermann kamen auf die Idee, die Lautsprecher eines Löschfahrzeugs zur Beschallung zu nutzen. Mit dem Mikrofon im Anschlag kletterte er aufs Dach des Feuerwehrautos und animierte weiterhin das angereiste Publikum. Der Tag war gerettet, Gottschalk wäre vermutlich stolz gewesen.

Seine Art zu moderieren, spricht sich rum, denn auch lokale Persönlichkeiten wie Brigitte Kunath-Scheffold fragen explizit nach Zimmermann. Die ehemalige Bezirksvorsteherin von Degerloch bat ihn, ihre Verabschiedung im Dezember 2019 zu moderieren. Bei so einem vollen Terminkalender bleibt aber wenig Zeit für sich selbst, was ihm allerdings nichts ausmacht, denn „ich liebe das, was ich mache viel zu sehr, um stillzustehen. Ich kann gar nicht anders.“ Doch er musste. Vor einem Jahr erkrankte Zimmermann an Gürtelrose, ein schmerzhafter Hautausschlag, der sich auf seiner Stirn ausbreitete.

Terminkalender wirkte sich auf seine Gesundheit aus

Ärzte bestätigten seine Vermutung, dass der selbsterzeugte Stress der maßgebliche Auslöser dafür war. Drei Wochen lang fesselten ihn Infusionen ans Krankenbett. 28 Tage Stillstand, der pure Horror für den Moderator. „Manchmal spüre ich die Taubheit über dem linken Auge immer noch. Aber das ist genau die Warnung, die ich gebraucht habe“, sagt er. Manchmal ignoriert er sie trotzdem noch; nach dem Treffen im Eiscafé steht noch ein weiterer Termin an. Der letzte an diesem Tag?

Mittlerweile tritt Jens Zimmermann als Sportmanager kürzer, lässt sich von seinen Angestellten Arbeit abnehmen, geht regelmäßig ins Fitnessstudio und legt Wert auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung, wobei Kakao und Waffeln auch mal sein müssen – der Seele ab und an etwas Gutes tun. Früher wurde der Seelenfrieden weit hinten angestellt. „Ich war als Moderator morgens auf einer Veranstaltung, mittags als Manager bei einem Turnier und abends noch bei einer Preisverleihung.“ Heute weiß er, dass er nicht auf jeder Hochzeit tanzen kann – auch wenn er möchte. Manager, Moderator, Veranstalter und Entertainer: „Müsste ich zwischen all den Aufgaben wählen, würde ich mich wahrscheinlich für das Moderieren entscheiden.“

Kaum verlässt er das Eiscafé, klebt das Handy wieder an seiner Ohrmuschel. Vermutlich verpasste Anrufe beantworten.