Liane Preuß hofft auf den Erfolg des Mehrweg-Projekts. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Als erste Stadt in Deutschland wird in Stuttgart sechs Monate lang ein Pilotprojekt mit Mehrweggeschirr für Take-away-Food getestet. Zehn Gastrobetriebe gehen Anfang Juni an den Start, um die Müllberge kleiner zu halten.

Stuttgart - Asiatisch, vegetarisch oder typisch schwäbisch – Mahlzeiten zum Mitnehmen sind beliebt. Sie sind praktisch, schnell verfügbar und meist günstiger als vergleichbare Menüs im Restaurant. Doch manchmal kommt das schlechte Gewissen nach dem letzten Bissen: Nach kurzem Gebrauch hat die Verpackung des mobilen Mittagsgerichts ihren Zweck erfüllt und muss entsorgt werden. Ob Pizzaschachtel, Salatbox, Curry-Take-away-Behälter aus Styropor oder der Coffee-to-go-Becher: Jeden Tag verpflegen sich auch in Stuttgart Tausende auf der Straße und in Fußgängerzonen. Doch diese Take-away-Verpackungen verursachen einen riesigen Abfallberg und tragen dazu bei, dass die Deutschen mittlerweile Europameister im Produzieren von Verpackungsmüll sind. 17,8 Millionen Tonnen waren es laut Angabe des Umweltbundesamtes zuletzt jährlich, Tendenz steigend. Das sind 218 Kilogramm pro Kopf und Jahr.

Im Kampf gegen Verpackungsmüll wird in Stuttgart jetzt ein Mehrwegsystem für Restaurants mit Take-away-Food getestet. Aus einer kleinen Gruppe von Greenpeace und Cradle2Cradle-Mitgliedern ist die Mehrweg Initiative Stuttgart (MIS) entstanden, die beim Übermorgenmarkt auf dem Marienplatz das Pilotprojekt Recircle vorgestellt hat. Am Stand sind die Gefäße in der etwas gewöhnungsbedürftigen Farbe Aubergine schön drapiert, Info-Flyer und Pfandkarten liegen bereit. Recircle bietet die Rebox mit oder ohne Einteilung, und in den Re-Becher kann man einen kleinen Salat oder Kaffee einfüllen. Das Mehrwegsystem wurde 2014/15 in Bern mit zwölf Restaurants erfolgreich etabliert und soll nun in in Stuttgart als erste Stadt in Deutschland in den kommenden sechs Monaten getestet werden. Mittlerweile gibt es in der Schweiz 70 teilnehmende Gastrobetriebe.

Zehn Euro kostet das Pfand

Das Prinzip ist simpel: Beim teilnehmenden Restaurant kann man gegen ein Depot von zehn Euro die passende Schale oder den Becher beziehen. Auf Wunsch der Gastronomen gibt es auch kleinere Boxen, bei denen der Pfandbetrag bei sechs Euro liegt. Nach dem Essen tauscht man das schmutzige Geschirr gegen ein sauberes oder bekommt das Geld zurück. Oder man spült es selber, lässt es beim nächsten Mal in einem der Partnerrestaurants wieder auffüllen und gibt es dort ab. „Durch diesen Kreislauf findet keine Ressourcenverschwendung statt“, sagt Liane Preuß von MIS. Wichtig ist, dass die Schalen im Umlauf bleiben.

„Mehrweg für Take-away können sich viele nicht vorstellen, und die zehn Euro sind zunächst eine Hürde“, sagt Jonas Umgelter, Sprecher von Cradle2Cradle. An den schnellen Erfolg glaubt er deshalb nicht, hofft jedoch, dass die Akzeptanz zunimmt. Er und seine Mitstreiter haben jede Menge Argumente für das Mehrweggeschirr: Es ist bruchsicher, kann in die Mikrowelle, wenn man Reste zu Hause aufwärmen will, übersteht rund hundert Waschgänge in Gastrospülmaschinen, ist auslaufsicher und wird in Behindertenwerkstätten verpackt.

Das Essen schmeckt besser als in Styropor

Aber nicht nur der Umweltaspekt spricht für die Boxen. „Das Essen schmeckt darin einfach besser als in einer Styroporschachtel. Gutes Essen und Take-away sind deshalb längst kein Widerspruch mehr“, sagt Liane Preuß. Begleitet wird der Pilotversuch von Studenten der Sozialwissenschaften der Uni Stuttgart, die eine Hausarbeit zum Thema machen, und von einem Absolventen vom Institut für Siedlungswasserbau, Wassergüte und Abfallwirtschaft (ISWA), der eine Bachelorarbeit zum Thema Ressourcenmanagement schreibt.

Einen ersten Fan hat Recircle an diesem verregneten Freitag schon gewonnen. Dominik Maier aus Holzgerlingen, als Angler und Jäger ein naturverbundener Mensch, ist vom Konzept begeistert. „Es ist eine tolle Sache, weil sie für Nachhaltigkeit steht“, sagt der 27-Jährige. Anders als bei den klassischen Start-ups geht es bei Recircle aber nicht darum, Profit zu machen. „Uns geht es um die Sache und darum, Müll zu vermeiden“, sagt Jonas Umgelter, der sich wie die anderen ehrenamtlich engagiert.

Weil das Geschirr in der Schweiz produziert wird, fallen Zollkosten an, die Logistik in Stuttgart sowie die Öffentlichkeitsarbeit und Schulung für die Gastronomen müssen finanziert werden. Die Funding-Schwelle von 2000 Euro soll die grundlegenden Kosten zur Einführung des Systems decken – das Funding-Ziel liegt bei 7000 Euro. „Wir arbeiten noch daran, wie wir das Ganze nachhaltig auf die Beine stellen können“, sagt Jonas Umgelter. Und wenn die Box dann ausgedient hat, landet sie nicht im Müll, sondern wird einer neuen Aufgabe zugeführt – aus ihr werden Dächer für Rikschas hergestellt.

Diese Gastronomen sind dabei

Elf Adressen in Stuttgart machen bereits mit bei dem Pilotprojekt. Weitere Gastronomen, die der Umwelt zuliebe teilnehmen wollen, sind willkommen.

S-Mitte
Weltcafé Stuttgart, Charlottenstraße 1; Tante Lenes Maultaschenkiosk, Esslinger Straße 8; Pasta Baby, Hospitalstraße 19

S-West
Topfgucker, Rotebühlstraße 69; I love Sushi, Rosenbergstraße 69; Schüttgut, Vogelsangstraße 51; San’s, Rotebühlstraße 51

S-Süd
Café Galao,Tübinger Straße 90; Super Jami, Bopserstraße 10; Pasta Baby, Marien-straße 10

Untertürkheim
Cassiopeia, Inselstraße 147

Noch bis zum 31. Mai läuft eine Crowdfunding-Aktion, mit der Geld für das Projekt gesammelt wird.