Mehrere spezielle Kehrmaschinen haben im März den Staub auf der Cannstatter Straße bekämpft. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Stadtverwaltung und Gemeinderat wollen nach ersten Ergebnissen der Dekra in der neuen Periode erneut am Neckartor nass reinigen. Die Reinigung war allerdings nicht billig.

Stuttgart - Die Stadt will in der kommenden Feinstaub-Alarmsaison den Kehrversuch aus dem März fortsetzen. Er soll auf Forderung der CDU möglichst bereits mit dem Start der neuen Alarmsaison am 15. Oktober beginnen. OB Fritz Kuhn (Grüne) und die überwiegende Mehrheit der Fraktionen reagieren damit auf die ersten Ergebnisse eines Versuches, der während fünf Wochen ab dem 1. März von der Prüforganisation Dekra konzipiert und mit Spezialfahrzeugen gelaufen war.

Clemens Klinke, der Automotive-Vorstand der Dekra, präsentierte am Dienstag dem Umwelt- und Technikausschuss des Gemeinderates die Ergebnisse des fünfwöchigen Tests. Sie würden unter einem gewissen Vorbehalt stehen, weil Windgeschwindigkeit und Temperatur auch Auswirkungen auf die Feinstaubbildung haben und die Datengrundlage, so Klinke, insgesamt verbreitert werden müsse. Der Vorstand bedauerte, dass die Testphase vergleichsweise kurz gewesen sei. Am Neckartor waren 2016 an 63 Tagen Überschreitungen des EU-Grenzwertes von 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft im Tagesmittel gemessen worden. Zulässig sind 35 Tage. Bis 20. Juli 2017 waren es bereits 39 Tage.

Abgekehrt und gesaugt wird gröberer Schmutz

In den Versuchsnächten waren jeweils sieben Kilometer Fahrstreifen und 1,4 Kilometer Gehweg mit Spezialmaschinen der Hersteller Kärcher, Faun und Reuther mit teils hohem Wasserdruck gereinigt und die so gelösten Schmutzpartikel sofort abgesaugt worden. Feinstaub, der in der Luft schwebt und schwer zu erfassen ist, wurde damit nicht beseitigt, wohl aber dessen gröbere Vorprodukte wie Reifen- und Bremsenabrieb. Diese Vorprodukte würden von der hohen Automenge täglich nicht nur am Neckartor zermalmt. Durch Vergleichsmessungen sowohl der Dekra als auch der Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) vor und auch Tage nach der Reinigung wurde festgestellt, dass die Schadstoffwerte damit gesenkt werden konnten. „Der Reinigungsversuch hat etwas gebracht. Er geht in die richtige Richtung“, sagte Klinke, auch wenn die Daten bisher unter streng wissenschaftlichen Kriterien nur „bedingt aussagekräftig“ seien.

Klinkes Werben für einen ausgeweiteten Test wurde vom Stadtklimatologen Ulrich Reuter unterstützt. Bei der Entfernung von Grobstaub sei sicher ein guter Effekt da, für die Wirkung auf die Feinstaub-Belastung gebe es Indizien, die aber nicht ganz eindeutig seien. Um wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse zu gewinnen, sei ein weiterer, längerer Versuch sinnvoll. Die Stadt hatte bereit im Jahr 2006 einen Reinigungsversuch gefahren, der indessen keinen Effekt zeitigte. Die Verwaltung war daher gegenüber dem erneuten Versuch durchaus reserviert.

Bisher zahlten vor allem die Firmen

Die Kosten des neuen Versuchs hatten die Firmen selbst und das städtische Amt für Abfallwirtschaft übernommen. Pro Kilometer Reinigung fielen umgerechnet 630 Euro an, insgesamt waren es 136 000 Euro. Die zweite Projektphase müsse allerdings ausgeschrieben werden, sagte Kuhn, drei Monate seien sinnvoll. CDU-Fraktionschef Alexander Kotz riet, möglichst sechs Monate zu reinigen und den Sommer 2018 für die Auswertung zu nutzen.

Verkehr zu vermeiden, sei sinnvoller als zu reinigen, sagte Björn Peterhoff für die Grünen. Er fragte, wie die Reinigung unter dem Gefrierpunkt aussehe, und ob der Asphalt letztlich beschädigt werden könnte. Christoph Ozasek (SÖS/Linke-plus) zeigte sich reserviert. Die Detailanalyse der LUBW zu dem, was da abgesaugt worden sei, stehe aus, und die Einflüsse der Stuttgart-21-Baustelle, die Klinke betont hatte, seien bisher anders bewertet worden.

Jürgen Zeeb (Freie Wähler), warnte, das Ergebnis schlecht zu reden. Martin Körner (SPD) fand die Erkenntnisse „ermutigend und motivierend“. Man müsse im zweiten Schritt aber auch die Pragstraße mit einbeziehen. Auch AfD, FDP und Stadtist plädierten für einen erweiterten zweiten Versuch.

Fortschritte in der Reinigungstechnik

Klinke sieht Möglichkeiten, die Reinigungstechnik zu verbessern, aber auch die Notwendigkeit, die Fahrzeuge leiser zu machen. Es gebe vielleicht auch die Chance, durch feinstes Versprühen von Wasser doch Feinstaub aus der Luft zu binden und abzusaugen, so der Vorstand.

Die Streckenlänge müsse noch erörtert werden, sagte OB Kuhn. Wenn mit der Reinigung einige der Überschreitungstage vermieden werden könnten, sei dies ein Erfolg. Allerdings könne dies nicht das Stickoxidproblem lösen. Gegen die Überschreitungen der Grenzwerte bei diesem Luftschadstoff sind ab dem Jahr 2018 auf bestimmten Strecken zeitweise Fahrverbote für Diesel schlechter als Euro 6 geplant. Komme es zu einer Nachrüstung älterer Diesel, so helfe das zwar gegen Stickoxid, nicht aber gegen die Feinstaubbelastung. Der weitere Reinigungsversuch würde durch die Nachrüstung also nicht überflüssig, so der OB.

Sehen Sie in unserem Video: Zehn wissenswerte Fakten zum Feinstaub.