Der Texaner Barney Smith und seine legendäre Klodeckel-Sammlung Foto: Cade Martin

Seit mehr als 70 Jahren verwandelt Barney Smith aus Texas Klodeckel in Kunstobjekte – nun will er sich zur Ruhe setzen.

San Antonio - Jetzt also Nummer 1325. Barney Smith hält den weißen Klodeckel in der Hand, dreht ihn und begutachtet ihn von allen Seiten. „Ich habe da so ein paar Ideen.“ Dann grinst er verschmitzt, streicht seine weißen Haare nach hinten und sagt: „Aber ich verrate sie nicht!“ Er bückt sich mühevoll, legt den Klodeckel auf den Boden und zieht das Eisentor zu seiner Doppelgarage auf. Vom Boden bis zur Decke hängen Klodeckel hier: bemalt, beklebt, verziert, angebohrt, behängt, mit Griffen versehen oder auch nur beschrieben.

„Willkommen im größten Klodeckelmuseum der Welt“, sagt Smith stolz und breitet seine Arme aus. Man merkt, dass die Bewegung anstrengend ist für ihn. Smith ist 96 Jahre alt. Er hat 1324 Klodeckel in Kunstwerke verwandelt. Bisher. In seiner Garage im texanischen San Antonio betreibt er seit 1992 eines der skurrilsten Museen der USA.

Die Sammlung steht zum Verkauf

Doch nun sieht der ehemalige Klempner die Zeit gekommen, um sein Vermächtnis zu übergeben – aber nur an jemanden, der die komplette Sammlung übernimmt und sich zudem verpflichtet, die Folk-Art-Kunstwerke der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. „Ich weiß, dass meine letzten Tage gekommen sind, und ich will nicht, dass sich meine Töchter nach dem Tod mit der Sammlung herumschlagen müssen“, sagt Barney Smith nachdenklich. Das Problem ist nur, dass es viele gibt, die zwei oder drei oder auch fünf Klodeckel wollen, aber nicht eine vollgestopfte Doppelgarage mit mehr als 1300 Toilettensitzen.

Tausende Menschen besuchen jedes Jahr Smiths skurrile Sammlung. Es gibt einen Toilettensitz mit den Tragegriffen von Särgen, einen anderen mit Knöpfen aus dem Nähkästchen von Smiths Mutter. Ein weiterer ist das Ergebnis eines Racheakts: Als Smith eine Wespe am Kopf gestochen hatte, räucherte er das Nest aus und arrangierte die toten Wespen auf einem Klodeckel. Außerdem: ein Toilettensitz aus dem Privatflugzeug des griechischen Großreeders Aristoteles Onassis, andere mit Teilen der 1986 explodierten Challenger-Raumfähre oder der Berliner Mauer. Besonders stolz ist Smith auf einen der prunkvolleren Toilettendeckel: „Vor zehn Jahren hat mir mal ein Soldat dieses Prachtstück aus einem Palast von Saddam Hussein zukommen lassen.“

Der Preis ist verhandelbar

Smiths Hoffnung, das Museum bald zu verkaufen, schwindet, auch wenn der US-Hygienemittelhersteller Clorox ihn mit einer eigenen Website (OdeToTheCommode.com) und einem Youtube-Video unterstützt. So sehr die Fans ihn lieben, so schwer dürfte es Interessenten fallen, Smiths Bedingungen zu erfüllen. „Ich möchte 15 000 bis 20 000 Dollar für das Museum haben, das finde ich nicht zu viel“, sagt Smith im Gespräch mit dieser Zeitung, „Wahrscheinlich ist es jetzt nicht besonders klug, wenn ich das sage, aber im Notfall würde ich es auch für weniger verkaufen. Idealerweise soll es hier in Amerika bleiben, aber wenn es Interessenten aus Deutschland gibt . . .“

Carye Bye, 42, eine Künstlerin, die dem Klokünstler im Museum hilft, glaubt, dass das Museum zu eng mit der Person Barney Smith verknüpft ist. „Barney ist das Museum. Dieser Mann hat mehr als 70 Jahre lang aus Toilettendeckeln Kunst gemacht. Er war Hafenarbeiter, Prediger, Elektriker, Klempner, eigentlich ein ganz einfacher Kerl. Aber was er geschaffen hat, ist weit mehr als ein Sammelsurium an Skurrilitäten. Die Besucher kommen wegen der Kunst und sie kommen wegen seiner Geschichten.“

„Jeder will wissen, wie ich angefangen habe“, hebt Smith an: „Ich brauchte einfach etwas, auf das ich das Geweih eines Rehs, das ich erlegt hatte, montieren konnte. Ich war Klempner, da lag ein Klodeckel nahe. Das sah auch noch gut aus. Dann fing ich an, Hundemarken, die ich von einem Tierarzt bekommen hatte, auf einen Klodeckel zu schrauben, andere bemalte ich.“

50 leicht beschädigte Klodeckel

Spätestens, als er dann bei einem Baumarkt 50 leicht beschädigte Toilettendeckel aus den Mülltonnen fischte, wurde das Hobby zur Leidenschaft: „Weiter ging es mit halbierten Billardkugeln, einer Tätowiermaschine, ein paar hundert Dichtungsringen oder den Gegenständen, die ich aus verstopften Rohren geholt habe. ‚Mixed materials‘ sagen wir Künstler dazu. Die Dinger sind meine Leinwand.“

Vor Jahrzehnten zwang ihn seine entnervte Frau, mit dem Klodeckel-Irrsinn aufzuhören. „Ich habe meiner Frau versprochen, dass ich mit dem Sammeln und Bemalen aufhöre, wenn ich 500 Stück habe.“ Smith lächelt schelmisch. „Ich habe mein Versprechen gebrochen. Seither habe ich ihr zu jedem Hochzeitstag einen besonderen Klodeckel gestaltet. Ich weiß nicht, ob das als Wiedergutmachung genug war. Wir waren 74 Jahre verheiratet, vor drei Jahren ist meine Velma Louise gestorben.“

Zu jedem Deckel eine Geschichte

Nun wartet Barney Smith also auf das Angebot eines Interessenten, der unbedingt Direktor eines einzigartigen Museums werden will. Seine Assistentin Carye Bye meint, es sei nicht allzu viel Arbeit. „Die Kunstwerke sind in gutem Zustand, nur gelegentlich muss man was neu ankleben oder reparieren.“ Sie hat sich daran gemacht, die versteckteren der 1324 Klodeckel zu katalogisieren und zu reinigen. „Ich entdecke jeden Tag etwas Faszinierendes in dieser Garage, und Barney hat zu jedem der Objekte eine Geschichte, die mindestens zehn Minuten lang ist.“

Smith ist müde und möchte sich hinlegen. Letzte Frage: Was denn das schlimmste Szenario sei? Smith zögert keine Sekunde: „Wenn ich nicht mehr bin und alles in den Müll wandert.“ Lange Pause. „Es ist leider nicht das unwahrscheinlichste Szenario.“