Die Politik sucht händerringend nach Lösungen, um das Problem der Feinstaubbelastung in den Griff zu bekommen. Foto: dpa-Zentralbild

Die Landesregierung sitzt in der Klemme: Auch die von der Industrie vorgeschlagenen Software-Lösungen reduzieren die Emissionen nicht im nötigen Maß. Und in Berlin beißen die Verantwortlichen noch immer auf Granit.

Berlin/Stuttgart - Die Debatte über zu hohe Abgaswerte geht munter weiter. Diesmal rückt die Daimler AG in den Fokus. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) verlangt von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den Entzug der Typzulassung für den als Stadtauto beworbenen Euro-6-Benzin-Smart. Für Benziner ohne Direkteinspritzung gibt es derzeit keinen gesetzlichen Grenzwert. In Tests hatte die DUH bei dem Smart allerdings eine deutliche Überschreitung der für Diesel-Pkw geltenden Laborgrenzwerte festgestellt. Bei Straßenmessungen mit einem portablen Partikelanzahl-Messgerät wurde im April bei einem Test in Berlin der Wert von 440 000 Partikeln pro Kubikzentimeter gemessen. Im Dezember hatte bereits der ADAC die 14-fache Überschreitung des zulässigen Partikelausstoßes für Diesel festgestellt. Der Ottomotor des Smart fortwo liefere „schlechte Werte“, hieß es damals beim ADAC. „Das besondere Fahrzeugkonzept mit Heckmotor muss aufgrund der geringeren Kühlung mit einer erhöhten thermischen Belastung zurechtkommen, wodurch der Feinstaubausstoß stark steigt“, sagte ein Sprecher.

Derweil geht auch die Debatte über Fahrverbote in Stuttgart wegen zu hoher Feinstaubwerte weiter. Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann und sein grüner Parteifreund, Landesverkehrsminister Winfried Hermann, erhoffen sich von Dobrindt, dass er den Weg für eine bundesweite Einführung der Blauen Plakette frei macht. Diese Hoffnung wird sich aber nicht erfüllen. In einer Beantwortung einer Anfrage unserer Zeitung teilte Dobrindts Haus unmissverständlich mit: „Fahrverbote sind aus Sicht des Bundesministeriums ein falscher politischer Ansatz.“ Wirkungsvoller sei es, Fahrzeuge, die sich ständig im Stadtverkehr befinden, wie Taxis, Busse im ÖPNV und Behördenfahrzeuge, „mit alternativen Antrieben auszustatten“.

CDU jubelt schon über Software-Lösung

Hermann betonte gestern am Rande der Bundesratssitzung in Berlin, Ziel der Landesregierung seien „keine Fahrbote, sondern Luftreinhaltung“. Deshalb bemühe sich die Landesregierung, „eine technische Nachrüstung der Dieselfahrzeuge in Gang zu bringen, die in der Summe das an Reduzierung schafft, was sonst ein Fahrverbot bewirken müsste“. Dann könne auf Verbote verzichtet werden.

Bei einem Treffen der Landesregierung mit hochrangigen Forschungs- und Entwicklungsexperten der deutschen Automobilindustrie, das in dieser Woche in Stuttgart stattfand, hatte die Branche dem Vernehmen nach nur eine kleine Lösung präsentiert, die allein auf gewisse Software-Änderungen setzt. Das hat Kostenvorteile, denn diese Software-Umrüstung dürfte lediglich um die 300 Euro pro Fahrzeug kosten.

Dieser Vorschlag hat bei der Südwest-CDU schon zu einem erleichterten Aufatmen geführt. Die CDU habe ein großes Interesse daran, dass „die technischen Möglichkeiten auf jeden Fall ausgeschöpft werden, wir wollen Innovationen“, sagte ein Sprecher unserer Zeitung. Die Kosten dafür seien überschaubar und müssten nicht vom Fahrzeughalter, sondern „könnten von der Industrie selbst getragen werden“. Eine Änderung an der Software sei während der üblichen Jahresinspektion möglich. Sollte die Nachrüstung der Euro-5-Fahrzeuge gelingen, dann genüge in Stuttgart ein „minimalinvasiver Eingriff“. Gemeint ist damit ein zeitweises und eng begrenztes Diesel-Fahrverbot (bis einschließlich Euro 5) nur bei der Feinstaub-Messstelle Neckartor und einigen Ausweichstrecken im Stuttgarter Osten.

Zum Jubeln ist es allerdings viel zu früh, denn nach ersten Einschätzungen des Landesverkehrsministeriums wird die erforderliche Reduzierung der Feinstaubmenge nicht erreicht. Hermann sagte zwar zu, die Vorschläge der Industrie genau zu prüfen. Es sei aber zu erwarten, dass durch eine bloße Software-Nachrüstung die Euro-6-Grenzwerte nicht erreicht werden.

Schon beginnt die Debatte um öffentliche Zuschüsse

Das lenkt den Druck wieder zurück auf die Bundesregierung. Hinter den Kulissen wird auch in Berlin längst diskutiert, ob eine weiter gehende Umrüstung finanziell unterstützt werden könnte. Dabei taucht immer wieder der Vorschlag eines Fonds der Automobilindustrie zur Nachrüstung auf, der dann möglicherweise mit Bundesmitteln bezuschusst werden könnte.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt hält sich auch in dieser Sache noch bedeckt. Eine entsprechende Anfrage unserer Zeitung beantwortete das Ministerium mit einem Hinweis, der alles offenlässt: „Wir begleiten die Debatte über mögliche Optimierungen von Euro-5-Dieselfahrzeugen.“ Ob es zu weiteren Umrüstungen kommt, „hängt davon ab, ob es konkrete Konzepte der Hersteller gibt“. Derzeit aber lägen noch „keine Optimierungskonzepte“ vor. Was auch heißt: Wenn Hermann der Industrie weiter gehende technische Lösungen abringen könnte, wären die Karten neu gemischt.