Lädt zum Runden Tisch der Religionen ein: Integrationsminister Manfred Lucha Foto: dpa

ntegrationsminister Manfred Lucha will mit Vertretern von Kirchen und Glaubensgemeinschaften darüber sprechen, was sie vom Staat erwarten dürfen und was der Staat von ihnen erwartet.

Stuttgart -

Herr Minister, die frühere Integrationsministerin traf sich etwa einmal jährlich mit Muslimen zum Runden Tisch Islam, Sie laden zum Runden Tisch der Religionen ein. Warum?
Es geht uns generell darum, über das Verhältnis der Religionen und Glaubensgemeinschaften zum säkularen Staat zu sprechen – das betrifft nicht nur die Muslime. Wir haben alle eingeladen, die in Baden-Württemberg verbandlich oder körperschaftlich organisiert sind, die christlichen Kirchen einschließlich der griechisch-orthodoxen, russisch-orthodoxen und der armenischen Gemeinden, die beiden jüdischen Religionsgemeinschaften, die Landesvertretungen der Aleviten, der Ahmadiyya sowie die islamisch-sunnitischen Verbände und die Muslime bosnischer Herkunft, aber auch die Humanistische Union. Die Buddhisten zum Beispiel sind jedoch in der ersten Runde noch nicht dabei, weil sie nicht entsprechend organisiert sind.
Sie haben auch Vertreter von Ditib eingeladen. Dem deutsch-türkischen Moscheeverband wird vorgeworfen, zum Teil Mitglieder der Gülen-Bewegung bespitzelt zu haben, die der türkische Präsident Erdogan für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich macht.
Die Ditib-Vertreter bei uns im Land gehören überwiegend gerade nicht zu den Radikalen innerhalb der Ditib in Deutschland. Das zeigt sich etwa daran, dass sich der hiesige Landesvorsitzende öffentlich klar von Erdogans Attacken gegen Deutschland distanziert hat. Und der Landesregierung liegen aktuell keine Informationen darüber vor, dass es bei uns Bespitzelungsfälle wie etwa in Nordrhein-Westfalen gegeben hat. Ditib sieht sich bei uns als Verband mit religiöser und sozialer Zielsetzung, nicht als verlängerter Arm eines Staates.
Was ist das Ziel Ihres Treffens?
Es geht uns nicht um religionsphilosophische oder dogmatische Debatten. Wir wollen verdeutlichen, was wir von unseren Gesprächspartnern erwarten und was sie von uns erwarten können. Etwa, dass das Grundgesetz die Religionsfreiheit garantiert, aber keine Religion über der Verfassung steht. Wir wollen auch über die Wohlfahrtspflege sprechen. Öfter als früher bleiben Einwanderer im hohen Alter hier. Deshalb spielt die kultursensible Pflege eine größere Rolle. Zudem wollen wir darauf hinwirken, dass sich im ganzen Land auch in den Kommunen viele weitere Runde Tische etablieren, die sich mit den Herausforderungen vor Ort befassen. Einzelne Kommunen sind hier schon sehr erfolgreich vorangegangen. Unterstützt werden sollen diese durch die von dem Theologen Hans Küng gegründete Stiftung Weltethos in Tübingen.
Bundesinnenminister de Maizière hat kürzlich gefordert, Deutsche und Einwanderer müssten sich zu einer deutschen Leitkultur bekennen. Wie stehen Sie dazu?
Meine Leitkultur ist das Grundgesetz der Bundesrepublik. Es wäre besser gewesen, der Bundesinnenminister wäre joggen gegangen, statt in einem Interview diese uralte Debatte neu anzuheizen. Solche Aufgeregtheiten und Polarisierungen sind überflüssig. Wer wirklich das Gespräch mit Menschen mit Migrationshintergrund sucht, merkt doch schnell, dass die meisten absolut normal und vernünftig ticken. Es gibt in Baden-Württemberg keinen Kulturkampf und keinen Glaubenskrieg. Die Realität ist: Unser Land ist multireligiös. Diese Realität wollen wir gestalten. Wir wollen, dass Menschen nicht zuallererst an Attentate und IS denken, wenn vom Islam die Rede ist, sondern diesen als eine Religion wie andere auch begreifen und respektieren. Wir blenden Konflikte nicht aus, aber wir dürfen nicht alle Muslime unter Generalverdacht stellen.
Müsste das Land nicht endlich flächendeckend Islamunterricht einführen – bisher gibt es diesen Unterricht für muslimische Schüler nur an relativ wenigen öffentlichen Schulen.
Wir bewegen uns in diese Richtung. Wir arbeiten auch daran, dass Imame bei uns ausgebildet werden und an unseren Hochschulen Islam und Islamwissenschaften gelehrt werden. Das müssen wir weiter vorantreiben. Dafür spricht sich im Übrigen auch Ditib bei uns im Land aus.
Der Landtag hat kürzlich ein Kopftuchverbot für Richterinnen beschlossen. Auch über ein Burkaverbot wurde diskutiert. Wie stehen Sie zu solchen religiösen Symbolen?
Ich selbst plädiere für viel Gelassenheit. Wir sollten nicht immer alles sofort als Indiz für etwas anderes nehmen. Die Musliminnen im Land interessieren sich für viele Themen wie Kunst, Kultur, Reisen, Sport etc. und wollen nicht nur auf ihre Religion reduziert werden.
Durch die Aufnahme von Flüchtlingen kommt es immer wieder zu Konflikten, etwa in der Erstaufnahme in Sigmaringen.
Die Konflikte dort haben nichts mit der Vielfältigkeit der Religionen zu tun. Laut Polizei und Bürgermeister hält sich dort eine kleine Gruppe junger Männer aus den maghribinischen Staaten immer wieder nicht an die Spielregeln. Ich bin der Meinung, dass man diese Staaten als sichere Herkunftsstaaten definieren kann. Dann könnten wir solche Männer leichter zurückschicken.
Immer wieder beklagen Juden, dass sie durch Muslime beleidigt und angegriffen werden…
Rassismus und Antisemitismus haben in Deutschland nichts zu suchen – das gilt für alle. Das ist die Grundlage, auf der wir miteinander verkehren. Unsere Verfassung definiert unverrückbare Grundwerte wie die Religionsfreiheit – aber keine Religion kann sich über unsere Grundwerte stellen.
Wie geht es nach dem ersten Treffen weiter?
Mindestens einmal im Jahr wollen wir uns alle am Runden Tisch treffen. Ich schließe aber auch häufigere Gespräche nicht aus. Der Runde Tisch soll auch dabei helfen, bei Schwierigkeiten schnell reagieren können und zu verhindern, dass Problem sich hochschaukeln. Deshalb kann es aus aktuellem Anlass auch einmal kurzfristig anberaumte Treffen geben. .
Was sind für Sie die wichtigsten Schritte, damit Integration gelingt?
Es gibt zwischenzeitlich so viele Integrationsmaßnahmen aus den unterschiedlichsten Bereichen, dass es selbst für Fachleute manchmal eine Herausforderung ist, nicht den Überblick zu verlieren. Aber die besten Maßnahmen bringen nichts, wenn sie nicht genutzt oder falsch eingesetzt werden. Deshalb finanziert die Landesregierung in diesem und im kommenden Jahr im Rahmen des Pakts für Integration mit den Kommunen rund 1.000 Integrationsmanager in unseren Städten und Gemeinden. Sie unterstützen die Geflüchteten mit Bleibeperspektive dabei, die vorhandenen und für sie passenden Integrationsangebote auch wahrzunehmen.
Gilt das auch für den Arbeitsmarkt?
Ich bin ein klarer Befürworter dafür, dass man geduldeten Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt künftig deutlich erleichtern sollte. Es liegt doch in unserem eigenen Interesse, die Potenziale gerade auch von Geduldeten, die seit vielen Jahren in Deutschland leben und aller Voraussicht nach nicht abgeschoben werden, besser zu nutzen. Davon profitieren sowohl der Staat als auch die Wirtschaft und die Flüchtlinge selbst. Künftig sollte das einfache Prinzip gelten: Wer im Land gebraucht wird, hier arbeitet oder eine Ausbildung macht und sich nichts zuschulden kommen lässt, der sollte auch bleiben dürfen.