Flüchtlinge könnten von den starken sozialen Bindungen auf dem Land profitieren, meinen Fachleute. Foto: dpa

Ausgerechnet dort, wo die Skepsis Flüchtlingen gegenüber vermutlich am größten ist, sieht die Robert-Bosch-Stiftung große Chancen für Integration. Das habe die Untersuchung von sieben Landkreisen gezeigt.

Stuttgart - Zwar ist es vermutlich so, dass Flüchtlinge in multikulturell geprägten Großstädten tendenziell herzlicher willkommen geheißen werden als auf dem Land. Darauf lassen die Ergebnisse der Bundestagswahl schließen, denn die Rechtspopulisten haben auf dem Land oft eher besser abgeschnitten als in urbanen Ballungsgebieten. Dennoch plant die Robert-Bosch-Stiftung ein Förderprogramm zur Stärkung der Integration von Flüchtlingen im ländlichen Raum. „Die Untersuchung von sieben Landkreisen hat ergeben, dass die Rahmenbedingungen für Integration auf dem Land häufig nicht schlechter sind“, sagt Uta-Micaela Dürig, die Geschäftsführerin der Stiftung.

Für ein echtes Miteinander von Einwanderern und Einheimischen erscheinen die Voraussetzungen auf dem Land nämlich gut. „Die Strukturen sind andere“, sagt Dürig, „zum Beispiel ist das Vereinsleben im ländlichen Raum teils noch lebendiger und sichtbarer als in Großstädten, so dass Zuwanderern der Anschluss und damit die soziale Integration teils leichter fällt.“ Zu diesem Schluss ist die Robert-Bosch-Stiftung gekommen, weil sie zusammen mit dem Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) 95 Einzelinterviews mit Flüchtlingen geführt und deren Bedürfnisse analysiert hat. Die sieben Landkreise, in denen das geschehen ist, liegen in Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Christliche Werte und Arbeitsplätze

„Wir haben Flüchtlinge nach ihrer Perspektive befragt, ihren Gedanken an die Vergangenheit, ihren Zukunftswünschen und ihrem aktuellen Lebensumfeld“, sagt Uta-Micaela Dürig. Dabei hätten sie besonders folgende Themenkomplexe beschäftigt: die Lebensbedingungen im Herkunftsland und – für das Förderprogramm entscheidender – ein sicherer Aufenthaltsstatus und soziale Kontakte in der neuen Heimat. Für Raphaela Schweiger, die Projektmanagerin des Förderprogramms, gibt es besonders dort gute Bedingungen für Flüchtlinge, „wo kleinere und mittelständische Unternehmen Arbeitskräfte suchen“.

Das gehe auf dem Land oft damit einher, dass stabile und enge soziale Beziehungen leichter entstünden und „das Engagement der Bürger vor Ort beeindruckend ist“. Wichtig sei, dass die einzelnen Maßnahmen vor Ort aufeinander abgestimmt und Angebote gut miteinander verzahnt würden. Am besten gelinge dies, wenn die kommunale Politik und die Verwaltung die Führung übernehmen und dabei Akteure aus Zivilgesellschaft und Wirtschaft konsequent einbinden würden.

Auch wenn Fremde auf dem Land teilweise kritischer beäugt würden als in der Stadt, fühlten sich dort viele Menschen traditionellen christlichen Werten stärker verpflichtet als die Mehrheit der Großstädter. „Hilfsbereitschaft im Alltag gegenüber sozial Schwächeren und ehrenamtliches Engagement waren und sind gerade auch auf dem Land stark ausgeprägt“, sagt Dürig. Von einer weltoffenen Haltung allein in der Nachbarschaft hätten Flüchtlinge nur wenig. Außerdem: „Gerade ländliche Räume haben aufgrund der demografischen Entwicklung ein Interesse an der dauerhaften Integration von Zuwanderern.“

400 000 Euro für Pilotphase

Jetzt will die Robert-Bosch-Stiftung Kommunen ermutigen, ihr Engagement bei der Flüchtlingsintegration zu verstärken. Die Stiftung plant, Landkreise dabei zu unterstützen, bestehende Ansätze für die Teilhabe und Bindung von Zuwanderern in ländlichen Räumen weiterzuentwickeln. Zu den Maßnahmen gehören die Begleitung der Kommunen durch Berater und die überregionale Vernetzung der teilnehmenden kommunalen Akteure. Darüber hinaus will die Stiftung das Thema auch wissenschaftlich bearbeiten und Empfehlungen für Politik und Praxis entwickeln. Das Projekt ist langfristig angelegt: Jetzt beginnt die erste Pilotphase, für die die Stiftung rund 400 000 Euro zur Verfügung stellt.

Alexis von Komorowski, Geschäftsführer des Landkreistags Baden-Württemberg, begrüßt die Pläne. „Auch wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass es falsch ist, Flüchtlinge in urbanen Gebieten anzusiedeln“, sagt er. Besonders in Baden-Württemberg biete der ländliche Raum viele mittelständische Ausbildungsbetriebe, von denen Flüchtlingen profitieren können. „Außerdem ist dort das Ehrenamt lebendiger und allgemein persönlicher.“ In den Städten drohten Flüchtlingen dagegen in der Menge unterzugehen.