Mit Street Art haben die Schmierereien im Süden wie hier in der Schickhardtstraße nichts zu tun. Jetzt will der Bezirksbeirat dagegen vorgehen. Foto: Sybille Neth

Ganze Straßenzüge sind im Stuttgarter Süden mit Schmiereien verschandelt. Jetzt will der Bezirksbeirat dagegen vorgehen und gleichzeitig Flächen für echte Graffiti-Kunst zur Verfügung stellen.

S-Süd - Keine Hauswand, kein Verteilerkasten und keine Mauer ohne Graffiti. Im Stuttgarter Süden, speziell in der Böblinger Straße, sind die Sprayer besonders aktiv und die Hinterlassenschaften verdienen oft nicht den Namen Graffiti. Denn dies ist eine inzwischen anerkannte Kunstform. Im Bezirk dagegen sind es vor allem die sogenannten Tags – so etwas wie eine plakative Unterschrift, mit der die verschiedenen Sprayer ihre Duftmarken setzen. „Im Süden gibt es Straßenzüge, die strotzen nur so vor Graffiti-Schmierereien“, ärgert sich der Bezirksvorsteher Raiko Grieb (SPD).

Schnelle Eingreiftruppe

Auf Initiative der SPD-Fraktion wird die Stadtverwaltung jetzt aufgefordert, eine Graffiti-Taskforce – eine Eingreiftruppe – zu gründen. Ziel ist es, den Stadtbezirk dauerhaft von illegal angebrachten Graffitis zu befreien. „Das Problem sticht hier ja besonders deutlich ins Auge“, sagt die SPD-Bezirksbeirätin Lena Mayländer. In einem Pilotprojekt könnte die Taskforce in einem Abschnitt in der Böblinger Straße aktiv werden. „Der öffentliche Raum muss ein Ort sein, an dem sich alle Menschen wohlfühlen können“, begründen die Sozialdemokraten ihren Vorstoß. Zusammen mit dem wachsenden Problem, dass Abfall einfach auf die Straße geworfen wird, gehe es hier um eine zusätzliche „optische Vermüllung“, kritisieren sie. „Ich unterstütze und begrüße diese Initiative grundsätzlich“, betont Grieb.

Straßenzüge großflächig reinigen

Die erheblichen Kosten für das Entfernen der Graffitis müssen die Geschädigten in der Regel selbst bezahlen, denn in den seltensten Fällen werden die Täter erwischt. Hier könnte die Taskforce nach Möglichkeiten suchen, wie für die Eigentümer finanzielle Anreize geschaffen werden könnten, damit sie die Schmierereien entfernen lassen. „Vielleicht gibt es die Möglichkeit, dass es kostengünstiger ist, wenn ein ganzer Straßenzug gereinigt wird“, überlegt Lena Mayländer. Die großflächige Reinigung könnte auf die Sprayer eine positive Wirkung haben –hofft sie und die Fraktion argumentiert mit der Broken Windows Theorie. Diese geht davon aus, dass eine heruntergekommene Umgebung die Bewohner verleitet, wesentlich häufiger soziale Normen zu brechen als dies in einer gepflegten Gegend vorkommt. Sind die Hauswände beschmiert und liegt Müll herum, sinkt die Hemmschwelle, den eigenen Abfall einfach dazu zu werfen. Auch Fälle von Kleinkriminalität nehmen in verwahrlosten Nachbarschaften zu. Somit können diese ersten Anzeichen die Abwärtsspirale eines Viertels in Gang setzen. Die populäre Broken-Windows-Theorie ist allerdings nicht unumstritten.

Street Art auf legalen Flächen

Die Ergebnisse der Bemühungen durch die Taskforce sollen wissenschaftlich ausgewertet werden. „Vielleicht könnte eine Diplomarbeit darüber entstehen“, sagt Lena Mayländer. Dabei sollte insbesondere beleuchtet, ob eine saubere Umgebung tatsächlich eine Hemmschwelle für die Sprayer darstellt und ob das Sicherheitsgefühl der Anwohner so verbessert wird.

Gleichzeitig sollen Flächen für die Street Art freigegeben werden. Beispielsweise wurden die Brückenpfeiler in der Nähe des Aldi-Supermarktes in der Böblinger Straße mit Graffiti verziert. Das prominenteste Beispiel für die positiven Wirkungen gesprayter Kunst auf tristen Flächen ist das Wandgemälde, das der Künstler Marcel Folmeg vor sechs Jahren in der Breuninger Unterführung geschaffen hat. Auch die Verschönerungsaktion des Jugendrates mittels Sprayflaschen städtische Müllbehälter attraktiver zu machen, gehört zu den gelungenen Beispielen. Und für Gestaltung der Mauer auf dem Spielplatz Karlshöhe im Lauf der Sommerferien mit Graffiti-Motiven unter der Regie der Jugendhausgesellschaft gab der Bezirksbeirat sein Okay.

Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch

In seinem Bericht zur Kriminalitätsstatistik hatte kürzlich der Leiter des zuständigen Polizeireviers 3, Rainer Weigl, ebenfalls die ausufernden Schmierereien im Bezirk erwähnt. Die Polizei registriere im Süden „Hetzparolen jeder Couleur“, berichtete er. Bei politischen Parolen werde der Staatsschutz eingeschaltet. Illegales Sprayen ist ein Straftatbestand und der kann neben der Sachbeschädigung auch noch Hausfriedensbruch beinhalten. Wird eine Gruppe auf frischer Tat ertappt, so haftet jedes der Mitglieder für die gesamte Schadenssumme – und dies 30 Jahre lang. Erst dann ist die Tat verjährt.