Von Dampf sprechen viele bei dem Chemiecocktail, den E-Zigaretten abgeben. Dabei hat das Aerosolgemisch mit Wasserdampf eher wenig gemein: Es ist potenziell krebserregend. Foto: Leif Piechowski

Als vermeintlich gesündere Alternative zur Zigarette werden E-Zigaretten immer beliebter. Doch ihre Aerosole enthalten viele schädliche Substanzen – die auch Passivraucher gefährden können.

Frankfurt - Zigaretten geben Rauch ab – elektronische Zigaretten Dampf. So hat es sich zumindest im Sprachgebrauch durchgesetzt. Doch wer normalerweise von Dampf spricht, denkt an Wasserdampf. Wohl kaum jemand hat sich eingehender mit der Frage beschäftigt, was er da eigentlich einatmet, wenn er neben jemandem steht, der an einer E-Zigarette zieht. Doch mit Wasserdampf haben die beim Rauchen einer E-Zigarette entstehenden Aerosole nichts zu tun. Es handelt sich vielmehr um einen Chemiecocktail, dessen Hauptbestandteile Propylenglykol und Glycerin sind. Dazu kommen Aromastoffe: Für E-Zigaretten werden verschiedene Geschmacksrichtungen, von Erdbeere bis Haselnuss, angeboten.

Eine der wenigen Studien, in denen bisher die Effekte des E-Passivrauchens untersucht wurden, stammt vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Die Studie wurde vom LGL, der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Bayerische Landesamt für Umwelt durchgeführt.

Ihr Ergebnis: Nachdem in einem Raum zwei Stunden lang E-Zigaretten geraucht wurden, konnte in der Luft das krebserregende Formaldehyd, der allergieauslösende Benzylalkohol und – bei Verwendung nikotinhaltiger E-Zigaretten-Flüssigkeiten – Nikotin nachgewiesen werden. Die größte Verunreinigung in der Raumluft war mengenmäßig Propylenglykol.

„Propylenglykol und weitere Substanzen im Aerosol von E-Zigaretten wirken augen- und atemwegsreizend“, sagt der Studienautor Wolfgang Schober. Mit Propylenglykol werden auch Disco- und Theaternebel hergestellt. Eine Untersuchung aus Kanada zeigte bereits im Jahr 2005, dass Menschen, die diesem öfter ausgesetzt sind, ein höheres Risiko für Atemwegsreizungen und Lungenfunktionsstörungen haben. „Die ultrafeinen Flüssigkeitspartikel, die aus übersättigtem Propylenglykoldampf gebildet werden, dringen bis in die tiefen Regionen der Lunge vor, können die Lungenfunktion beeinträchtigen und Entzündungsprozesse hervorrufen“, sagt Schober.

Partikel beeinträchtigen die Lungenentwicklung

Eine andere Studie, die während einer Werbeaktion für E-Zigaretten gemacht wurde, zeigte, dass die Raumluft ähnlich stark durch feine Partikel verunreinigt war wie in Gaststätten, in denen Zigaretten geraucht werden dürfen. Die feinen Teilchen rufen in kultivierten Lungenzellen und bei Mäusen Entzündungsreaktionen hervor. Bei Kindern beeinträchtigen die feinen Partikel die Lungenentwicklung – bislang sind keine Konzentrationen bekannt, unterhalb derer keine Gesundheitsschäden auftreten. „Gesundheitsrisiken sind bei langfristiger Passivdampfbelastung insbesondere für Kinder, Schwangere und Personen mit Atemwegserkrankungen möglich“, sagt Schober.

Die Konzentrationen giftiger Stoffe im E-Zigaretten-Rauch sind zwar weitaus geringer als diejenigen im normalen Tabakrauch. „Trotzdem sollten E-Zigaretten in Räumen nicht benutzt werden“, sagt Katrin Schaller von der Stabstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. „Der Nichtraucherschutz sollte auf E-Zigaretten ausgeweitet werden.“ Sie sieht dafür auch psychologische Gründe. „Wenn E-Zigaretten-Rauch in Räumen erlaubt würde, würde auch der Schutz vor herkömmlichem Rauch wieder geschwächt, weil beides ähnlich aussieht“, sagt Schaller. Auch könnten Ex-Raucher dadurch animiert werden, wieder zu rauchen.

Der neuste Trend: Hybridzigaretten

Ob E-Zigaretten wirklich zu einer Gefahr für Nichtraucher werden können, wird vor allem daran liegen, wie viele Menschen sie verwenden. Laut dem Jahrbuch Sucht 2017 der deutschen Hauptstelle für Suchtfragen rauchen 1,4 Prozent der Deutschen (rund 1,1 Millionen) regelmäßig E-Zigaretten.

Die Umsätze mit E-Zigaretten steigen allerdings stetig. Nach Branchenangaben lagen sie 2015 noch bei 275 Millionen Euro. Für das Jahr 2017 werden 600 Millionen Euro Umsatz erwartet. Derweil gibt es mittlerweile schon wieder einen neuen Trend: sogenannte Hybridzigaretten. In solche Geräte werden Tabakstifte eingelegt, die nicht verbrannt, sondern auf 240 bis 380 Grad Celsius erhitzt werden. Den entstehenden Rauch inhaliert man durch ein Mundstück.

Die Auswirkungen des Hybridrauchs auf Nichtraucher sind noch weniger untersucht als bei der E-Zigarette. „Es kann aber Rauch auch ohne Feuer geben“, schreibt Reto Auer, Medizinprofessor an der Uni Bern, in einer Studie, die im Mai dieses Jahres im renommierten „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) veröffentlicht wurde. Darin untersuchte Auer mit seinem Team eine Hybridzigarette.

Bei der Auswertung fanden Auer und sein Team krebserregende Substanzen wie etwa Acetaldehyd, Formaldehyd und polyzyklische aromatische Verbindungen. „Um die Definition von Rauch herumzutänzeln, wie es die Tabakindustrie tut, um Nichtrauchergesetze zu umgehen, ist unethisch“, schreibt Auer. „Erhitzte Tabakprodukte sollten unter die gleichen Rauchverbote fallen wie konventionelle Zigaretten.“

Sind E-Zigaretten besser als Tabak?

Gifte: Der Konsum von E-Zigaretten sei deutlich ungefährlicher als Tabakrauchen, sagt Frank Henkler vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): „Das liegt vor allem an den vielen Giften, die beim Verbrennen des Tabaks entstehen.“ Genau können die Forscher das Risiko aber noch nicht bewerten.

Risiken: Für Starkraucher, die denken, dass sie ihre Gesundheitsrisiken durch das Dampfen senken können, könnte sich dies als Milchmädchenrechnung entpuppen. Wer sein tägliches Pensum durch das Dampfen halbieren kann, fühlt sich zwar gesünder, weil Hustenreiz und Kurzatmigkeit abnehmen. „Aber das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringert sich nicht“, sagt Katrin Schaller vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). „Nur das Risiko für Lungenkrebs geht zurück.“ (rku)