Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet, welche Arzneien und Therapien erstattet werden. Auf diesem konfliktgeladenen Feld tobt nun ein MAchtkampf. Foto: dpa

Die Absicht, einen ehemaliger FDP-Politiker und Lobbyisten eine zentrale Rolle im höchsten Gremium der Selbstverwalktung einnehmen zu lassen, stößt auf Widerstand.

Berlin - Um den „Gemeinsame Bundesausschuss“ (GBA) ist es seltsam bestellt. Öffentlich wird er kaum wahrgenommen. Dabei ist er die Herzkammer des deutschen Gesundheitssystems. In diesem höchsten Organ der Selbstverwaltung entscheiden die Vertreter von Leistungserbringern (Ärzte, Kliniken) und Kassen darüber, welche Therapien und Medikamente für die 70 Millionen gesetzlich Versicherten erstattet werden. Nun rückt das Gremium in den Blickpunkt, denn in diesem Zentrum des deutschen Gesundheitswesens ist ein Machtkampf ausgebrochen.

Im GBA prallen harte Interessengegensätze aufeinander. Um die Konflikte abzufedern, sieht die Konstruktion neben Kassen und Leistungserbringen eine dritte Bank vor: drei unparteiische Mitglieder. Die geben den Ausschlag, wenn zwischen beiden Seiten keine Einigung erzielt werden kann. Im nächsten Jahr laufen die sechsjährigen Amtszeiten aus. Um die Neubesetzung tobt ein erbitterter Streit. Unstrittig ist, dass der kundige Vorsitzende des GBA, Josef Hecken, weitermachen wird. Für die anderen beiden Kandidaten liegt das Vorschlagsrecht einmal bei den Kassen, das andere Mal bei den Leistungserbringern. Für letztere hat die Deutsche Krankenhaus-Gesellschaft (DKG), die diesmal turnusmäßig das Vorschlagsrecht hat, den 46-jährigen Juristen Lars Lindemann vorgeschlagen.

Ist die einzige Medizinerin zu unbequem?

Das sorgt in Politik und Gesundheitswesen für Empörung. Das hat mindestens zwei Gründe. Der Betriebswirt Lars Lindemann würde die Gynäkologin Regina Klakow-Franck ersetzen, die sich in ihrer Amtszeit einen exzellenten Ruf erarbeitet hat. Nicht nur, weil sie als Medizinerin sachkundig ist, sondern weil sie sich erlaubt, ihre neutrale Rolle ernst zu nehmen, und nicht automatisch die Positionen der Seite, die sie einst vorgeschlagen hatte, zu übernehmen. Die Vermutung liegt nahe, dass Klakow-Franck, die gerne weitermachen würde, den Leistungserbringern (vor allem den Klinikbetreibern) zu „kritisch“ geworden ist. Der zweite Grund liegt in der Person Lindemann selbst. Er saß zwischen 2009 und 1013 für die FDP im Bundestag, und ist seither Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbandes der Fachärzte. Gleichzeitig ist er Geschäftsführer der Sanakey-Gruppe, die Fachärzte beim Abrechnen unterstützt. Dass nicht nur Lindemann, sondern auch Georg Baum, der Hauptgeschäftsführer der vorschlagenden DKG FDP-Mitglied ist, dürfte Lindemann nicht geschadet haben.

Ärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery wetterte, ärztlicher Sachverstand sei im GBA „offenbar überhaupt nicht mehr gefragt“. Die Gesundheitspolitiker aller im Bundestag vertretenen Parteien sehen den Vorschlag ebenfalls kritisch. Aber auch der GKV-Vorschlag für den eigenen neutralen Kandidaten ist nicht unumstritten: Uwe Deh soll dem aus Altersgründen ausscheidenden Harald Deisler nachfolgen. Deh gilt als kompetent, hat aber einen Hang zur Zuspitzung, die nicht recht zur Rolle als Mitglied der neutralen Bank des GBA passt.

Leistungserbringer ziehen die Reißleine

Das gesamte Personalpaket muss vom Gesundheitsausschuss des Bundestags genehmigt werden. Normalerweise eine Formsache. Diesmal aber wäre es durchaus möglich, dass der Ausschuss die Vorschläge mit Zwei-Drittel-Mehrheit zurückweisen würde. In dieser Situation scheint die Seite Leistungsgerbringer die nun die Reißleine zu ziehen. Wie unsere Zeitung aus sicherer Quelle erfuhr, hat sie den Kassen nun signalisiert, nicht mehr auf Lindemann zu bestehen. Allerdings erwarte man im Gegenzug, dass auch die Kassen einen neuen Namen präsentieren.

In der Politik wird diese Nachricht mit gewisser Erleichterung aufgenommen. Es müsse eine gemeinsame akzeptable Lösung gefunden werden, ermahnt CDU-Gesundheitspolitiker Michael Hennrich. Er sagt auch ganz klar: „Das jetzige Personalpaket wird fraktionsübergreifend im Gesundheitsausschuss keine Mehrheit finden.“ Auch Hilde Mattheis, die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sagte unserer Zeitung, „der Rückzug der Bewerbung und eine Suche nach neuen Lösungen“ sei „die galanteste Lösung des Problems.“