Während Verletzte in die Krankenhäuser gebracht werden, suchen der Zivilschutz und Freiwillige in Mexiko-Stadt nach Verschütteten und Überlebenden. Foto: AP

Am 32. Jahrestag des verheerenden Erdbebens von 1985 bebt in Mexiko-Stadt und den angrenzenden Bundesstaaten wieder die Erde. Mehr als 200 Menschen werden getötet, viele Gebäude sind völlig zerstört.

Mexiko-Stadt - Am Morgen danach lag eine seltsame Ruhe über dem Stadtteil Condesa. In den Straßen des Viertels in Mexiko-Stadt, die weitgehend vom Beben verschont blieben, versuchten die Menschen schnell zur Tagesordnung überzugehen. Auf der Avenida Tamaulipas räumten die Straßenfeger den Dreck der Nacht weg, Zeitungskioske öffneten, die Menschen fuhren auf Rädern oder in ihren Autos zur Arbeit. Doch das Verkehrsaufkommen war ungewöhnlich gering so wie sonst nur an Feiertagen. Schulen und Behörden blieben geschlossen. Viele Arbeitgeber hatten ihren Angestellten am Morgen nach der Katastrophe freigegeben. Ein Erdbeben der Stärke 7,1 hatte Mexiko-Stadt und die angrenzenden Bundesstaaten heimgesucht und mehr als 200 Menschen getötet. Zahlreiche Gebäude wurden zerstört oder trugen Schäden davon.

Die Retter heben Trümmerteile mit bloßen Händen und tragen sie fort

In anderen Teilen der Hauptstadt sah es anders aus. Nur wenige Meter von der Avenida Tamaulipas entfernt suchten die Helfer und Anwohner die ganze Nacht nach Überlebenden im Gebäude an der Ecke der Straßen Laredo und Avenida Amsterdam. Dort war ein ohnehin schon vor dem Beben beschädigtes Wohnhaus bei dem Beben binnen Sekunden zusammengefallen wie ein Kartenhaus. Die Retter hoben Trümmerteile mit bloßen Händen und trugen sie fort. Alles möglichst leise, um zu hören, ob noch Lebenszeichen unter den Schuttbergen zu hören waren. In anderen Gebäuden suchten Feuerwehrleute mit Laternen nach möglichen Anwohnern. „Wir müssen Haus um Haus abgehen, um zu sehen, ob es noch eingeschlossene oder bewegungsunfähige Menschen gibt“, sagte Omar Castro, einer der Feuerwehrleute. Hunderte Menschen hatten in Mexiko-Stadt ihre beschädigten Häuser verlassen und die Nacht im Freien oder bei Freunden verbracht.

Jessica Cervantes stand mit ein paar Habseligkeiten in der Hand auf der Straße und konnte nicht aufhören zu weinen: „Wir haben alles verloren, unsere Wohnung, unsere Kleidung, alles für das wir unser Leben lang gearbeitet haben.“

So wie hier in der Condesa sah es in vielen Stadtteilen der 20-Millionen-Metropole aus. Die ganze Nacht über schleppten Zivilschutz, Soldaten, Nachbarn und freiwillige Helfer Schutt und Trümmer aus den Gebäuden von Mexiko-Stadt, die bei dem Beben am Dienstag um 13.15 Uhr komplett zusammengefallen waren. Mit Spaten und Spitzhacken versuchten sie, Gänge zu öffnen, mit Taschenlampen oder Feuerzeugen beleuchteten sie die gespenstische Szenerie, wo keine großen Lampen verfügbar waren. Mitunter wiesen Whatsapp-Nachrichten den Rettern den Weg zu den Verschütteten.

Bis zum frühen Mittwochmorgen bestätigten die Behörden landesweit 217 Tote, 86 davon in der Hauptstadt. Wie die Zivilschutzbehörde des Landes mitteilte, stammen die meisten der bislang geborgenen Toten aber aus dem südlich an Mexiko-Stadt grenzenden Bundesstaat Morelos. Das Epizentrum des Bebens lag nur gut 120 Kilometer südöstlich von Mexiko-Stadt im Bundesstaat Puebla.

In der Grundschule „Enrique Rebsamen“ werden noch immer Kinder vermisst

In einer Grundschule im Stadtteil Coapa im Süden der Stadt konnten sich 300 Kinder und Lehrer in Sicherheit bringen, aber 21 Schüler und vier Erwachsene der Grundschule „Enrique Rebsamen“ wurden unter den Trümmern begraben. Verzweifelte Eltern harrten vor den eingestürzten Klassenräumen aus.

Präsident Enrique Peña Nieto ordnete an, das alle Krankenhäuser Verletzte aufnehmen müssen, selbst wenn sie keine Versicherung und keine Kreditkarte haben, um für die Behandlungskosten aufzukommen. Die Schulen und Universitäten in Mexiko-Stadt blieben geschlossen und wurden erst einmal von Ingenieuren und Statikern auf mögliche Schäden untersucht. 40 Prozent von Mexiko-Stadt und 60 Prozent des angrenzenden Bundesstaates Morelos lagen in der Nacht zu Mittwoch im Dunkeln. Das Telefonnetz brach über mehrere Stunden zusammen, auch das Internet fiel zeitweise komplett aus. „Mexiko teilt das Leid der Opfer“, sagte Peña Nieto, vermied es dabei aber, eine vorläufige Zahl der Toten zu nennen. Jetzt gelte es, den Verletzten zu helfen und Verschüttete zu bergen. „Wir werden gemeinsam diese neue schwere Herausforderung meistern.“

Auf den Tag genau vor 32 Jahren zerstörte ein Erdbeben große Teile der Metropole

Das Erdbeben suchte Mexiko-Stadt an einem historischen Tag heim. Auf den Tag genau vor 32 Jahren, am 19. September 1985, bebte die Erde in Mexiko-Stadt und zerstörte große Teile der Metropole. Damals starben mehr als 10 000 Menschen. Zum 32. Jahrestag des verheerenden Erdbebens hatte die Regierung der Metropole am Vormittag um 11 Uhr noch zu einer Erdbebenübung gerufen. Die Sirenen heulten einige Minuten, und die Menschen bewegten sich geordnet an die vorgesehenen Sicherheitsstellen. Gut zwei Stunden später wurde aus der Übung bitterer Ernst. Um 13.15 Uhr schlug der Alarm erneut in Mexiko-Stadt an, dieses Mal aber war es keine Übung. Die Erde begann sich in Wellen zu bewegen, die Gebäude schwankten wie Bäume im Wind. Scheiben barsten, die Menschen liefen auf die Straßen, Panik stand ihnen in den Gesichtern.

Das Beben hatte laut dem Erdbebeninstitut USGS eine Stärke von 7,1. Das Epizentrum lag bei Axochiapan im Bundesstaat Puebla, rund 120 Kilometer südöstlich von Mexiko-Stadt entfernt. Erst am 7. September waren bei einem Beben der Stärke 8,2 rund 100 Menschen im Süden des Landes ums Leben gekommen.

Sofort nach der Katastrophe funktionierte die Routine. Polizei, Militär und Feuerwehr rückten aus, Rettungskräfte begaben sich umgehend zu den eingestürzten Gebäuden. Die Menschen halfen mit Wasser, Verbandszeug, Medikamenten und Desinfektionsmitteln sowie Räumgerät aus. Seit dem Beben von 1985 sind die Bewohner der Hauptstadt für Erdbeben sensibilisiert und geschult. Zudem zeigen sich die Hauptstadtbewohner in diesen Katastrophenfällen sehr solidarisch.