Mercedes-Benz will den Stickoxidausstoß seiner Dieselmotoren senken und ruft deshalb mehr als drei Millionen Fahrzeuge in Europa in die Werkstatt. Foto: dpa

Der Daimler-Konzern ruft in den kommenden Wochen europaweit mehr als drei Millionen Dieselfahrzeuge der Marke Mercedes-Benz in die Werkstätten. Wer betroffen ist und was nun auf Mercedes-Diesel-Fahrer zukommt, lesen Sie hier.

Stuttgart - Wie viele Fahrzeuge sind von dem aktuellen Rückruf betroffen?

Der Daimler-Konzern hat unter dem Druck der Diskussion über Fahrverbote für Dieselautos und Abgas-Betrugsermittlungen eine massive Rückrufaktion angekündigt. Insgesamt drei Millionen Mercedes-Benz Pkw mit Dieselmotoren in Europa sollen durch eine Nachrüstung weniger schädliches Stickoxid (NOx) ausstoßen, teilte der Autobauer mit. Hier kommen die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu der Aktion. Streng genommen handelt es sich bei der aktuellen Aktion von Daimler nicht um einen offiziellen Rückruf, sondern um eine „freiwillige Servicemaßnahme“ des Konzerns, die den Stickstoffoxidausstoß der Fahrzeuge reduzieren soll. Das ist ein grundlegender Unterschied zu den verpflichtenden Rückrufen des Volkswagen-Konzerns, die seit Anfang 2016 laufen. Daimler bietet diese Serviceaktion für mehr als drei Millionen Fahrzeuge mit Dieselantrieb an, wie es in der Pressemitteilung vom 18. Juli 2017 heißt.

Welche Fahrzeuge sind bei Daimler betroffen?

Im Prinzip sind nahezu alle Fahrzeuge mit Dieselmotor der EU5- und EU6-Norm betroffen, wie ein Sprecher des Konzerns sagt. Ausnahmen seien Nischenmodelle wie beispielsweise der für das Modell SLC angebotene Dieselmotor, sowie die neue Motorengeneration OM654, die seit vergangenem Jahr in der E-Klasse eingesetzt wird. Wer zudem schon im Februar die Aufforderung erhalten hat, die Motorsoftware aktualisieren zu lassen, um den Stickstoffausstoß seines Diesels zu reduzieren, ist ebenfalls nicht betroffen.

Wer ist für den Rückruf zuständig?

Da es sich um eine freiwillige Serviceleistung des Unternehmens handelt, ist für den Rückruf ausschließlich der Daimler-Konzern zuständig.

Muss ich irgendwas tun?

Nein. Alle betroffenen Kunden werden vom Konzern aktiv angeschrieben und gebeten, einen Termin in einer Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt zu vereinbaren, sagt ein Daimler-Sprecher.

Wann muss ich mich auf den Werkstatt-Termin einstellen?

Daimler will in den nächsten Wochen und „so zügig wie möglich“ betroffene Kunden kontaktieren. Allerdings ist für die Maßnahme eine Freigabe des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) notwendig, die es noch nicht gibt. Erst wenn sie erteilt ist, kann die Aktion anrollen. Aufgrund der großen Anzahl an Fahrzeugen werde dies über einen längeren Zeitraum andauern, so der Konzern.

Wie lange muss ich den Wagen in der Werkstatt lassen?

Daimler rechnet damit, dass eine Stunde Werkstattzeit genügen wird.

Kann ich in jede beliebige Werkstatt gehen?

Die Aufforderung des Konzerns wird sein, sich an eine Mercedes-Benz-Vertragswerkstatt zu wenden. Der Automobilclub ADAC rechnet damit, dass auch nur die über die angekündigten Updates verfügen werden. Da es sich nicht um eine klassische Reparatur- und Wartungsinformation handele, bestehe auch kein Anspruch der Drittwerkstätten, das Update für Kunden erhalten zu können, heißt es bei dem Automobilclub.

Fallen für mich Kosten an?

Der Daimler-Konzern sichert in seiner Mitteilung zu, dass für den Kunden keine Kosten entstehen.

Habe ich Anspruch auf ein Ersatzfahrzeug?

„Wir gehen davon aus, dass das nicht nötig sein wird“, sagt dazu ein Sprecher des Konzerns. Es gibt gesetzlich auch kein Anrecht darauf.

Was genau wird gemacht?

Es wird ein Update der Motor-Software aufgespielt, das den Stickoxidausstoß des Motors senkt.

Bringt die Umrüstung Nachteile für Kunden?

Der Konzerns sagt: Nein. Ob das Software-Update Nachteile wie beispielsweise Leistungsminderung oder Mehrverbrauch nach sich ziehe, lasse sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beurteilen, heißt es beim ADAC. Nach den Updates des Volkswagenkonzerns hat der Club an drei Modellen Messungen vorgenommen. Das Ergebnis: „In den verschiedenen Tests konnte durch das Update für den Kunden keine nennenswerten Nachteile festgestellt werden.“

Gibt es ein Risiko, wenn ich dem Rückruf nicht folge?

Wer auf dem Land lebt und keine Angst hat, eines Tages von einem Dieselfahrverbot betroffen zu sein, mag den Werkstattbesuch scheuen. Da es sich um eine freiwillige Maßnahme des Autoherstellers handelt, ist dies unproblematisch. „Ich sehe kein Risiko“, sagt ein Sprecher dazu. An Garantie und Gewährleistung ändere sich nichts. Anders wäre die Sachlage, wenn es sich um einen offiziellen Rückruf des Kraftfahrzeug-Bundesamtes handeln würde. Dann könnte der TÜV beispielsweise die Erteilung der Prüfplakette verweigern. Beim ADAC heißt es dazu: „Derzeit ist kein Risiko ersichtlich, da es sich um eine freiwillige Maßnahme zur Emissionsreduzierung handelt. Es sind aber verschiedene Entwicklungen denkbar, etwa dass der Hersteller später für das Update entlohnt werden will. Oder dass die Behörden bei Feststellung von Rechtsverstößen zu einem späteren Zeitpunkt androhen, den Betrieb zu untersagen, sollte keine Nachrüstung erfolgen.“

Und wer übernimmt die Haftung?

Laut ADAC denkbar wäre entweder eine Haftung der Werkstatt (wenn sie bei der Nachrüstung fehlerhaft arbeitet) oder des Herstellers, wenn die von ihm entwickelte Software nicht funktioniert. Weiter müsse geklärt werden, wer „Vertragspartner“ für das Update ist, die Werkstatt oder der Hersteller. Da es sich um eine freiwillige, kostenlose Leistung handelt, stellt sich zudem die Frage der Rechtsanwendung, ob etwa Werkvertragsrecht oder Auftragsrecht zur Anwendung kommt.

Worin liegt der Unterschied?

Geht man von Werkvertragsrecht aus, muss der Kunde beweisen, dass eine mangelhafte Werkleistung vorliegt. Das wird dem ADAC zufolge schwierig sein, weil vorwiegend Fahrzeuge betroffen sind, die schon einige Zeit und damit mit entsprechender Laufleistung unterwegs sind. Es müssten kostenintensive Gutachten beauftragt werden, die zweifelsfrei belegen, dass ein Schaden auf das Update zurückzuführen ist. Sollte nur bei nachgerüsteten Kfz massenhaft derselbe Defekt eintreten, könnte die Beweislast der Werkstatt beziehungsweise dem Hersteller auferlegt werden. Geht man von Auftragsrecht aus, kommt laut ADAC hinzu, dass dem Vertragspartner ein Verschulden nachzuweisen sein muss, was bei den Werkstätten in Bezug auf „Softwarefehler“ oder die Konzeption der Software fraglich ist. Abseits der Rechtsverfolgung könne dann nur an die Kulanz des Herstellers appelliert werden.

Mein Auto musste doch schon in den vergangenen Monaten wegen eines ähnlichen Rückrufs in die Werkstatt – bin ich jetzt auch wieder betroffen?

Seit Februar ruft Daimler bereits einige Fahrzeuge in die Werkstätten. Dies sind die A-Klasse 1,5 l Euro 6, die B-Klasse 1,5 l Euro 6, der CLA 1,5 l Euro 6, der GLA 1,5 l Euro 6 sowie die V-Klasse 2,1 l Euro. Wer mit einem dieser Fahrzeuge bereits in die Werkstatt gerufen wurde, ist nun nicht noch einmal betroffen. Laut Daimler ist dies aktuell bei knapp der Hälfte der bereits angeschriebenen Kunden der Fall.