Der türkische Staatspräsident hat CDU, SPD und Grüne als Feinde der Türkei bezeichnet und Deutsch-Türken aufgerufen, diesen Parteien bei der Bundestagswahl nicht zu wählen. Foto: Presidency Press Service/AP

In der Verurteilung des Aufrufs des türkischen Präsidenten Erdogan zum Wahlboykott von CDU, SPD und Grünen sind sich grüne und schwarze türkischstämmige Politiker einig. Doch der in der CDU engagierte Stuttgarter Olcayto Dingersu fordert auch mehr Zurückhaltung.

Stuttgart - Der Aufruf des türkischen StaatspräsidentenRecep Tayyip Erdogan an türkischstämmige Wähler, bei der Bundestagswahl nicht für CDU, SPD oder Grüne zu stimmen, stößt bei Politikern türkischer Abstimmung auf scharfe Kritik. Bereits unmittelbar nach Erdogans Boykottaufruf hatte sich der derzeit in Stuttgart wahlkämpfende Parteichef der Grünen, Cem Özdemir, wenig überrascht davon gezeigt, dass das türkische Staatsoberhaupt fünf Wochen vor der Wahl versuche, sich in innenpolitische Angelegenheiten einzumischen: „Wir verstehen unsere Erwähnung als Auftrag, weiterhin und entschlossen dafür zu arbeiten, dass der Einfluss von Erdogan auf Deutschtürken in unserem Land gestoppt wird“, erklärte Özdemir. Allen, die für Demokratie, gegen Repression und Korruption in der Türkei und damit keine Erdogan-Fans seien, würden von diesem einfach zu Feinden erklärt, so der Grünen-Chef. Auffällig sei zudem, dass der türkische Präsident die AfD nicht genannt habe. Das zeige, „was deren Ideologien mit Erdogan verbindet“, folgerte Özdemir.

Auch Olcayto Dingersu spricht von einer „versuchten Einmischung in die souveränen Angelegenheiten eines anderen Staates“. Der in Düsseldorf geborene Ingenieur ist seit Jahren beim CDU-Ortsverband Stuttgart-Süd engagiert, hat 2009 vergeblich für den Gemeinderat kandidiert und fungiert jetzt als Beauftragter für den interkulturellen Dialog. Derzeit weilt er im Urlaub – in der Türkei: „Das ist Ausdruck einer großen Krise zwischen der Türkei und Deutschland“, sagt Dingersu. Er erinnert aber auch daran, dass sich deutsche Politiker vor dem Referendum über eine neue Verfassung in der Türkei öffentlich eindeutig für ein Nein zum von Erdogan angestrebten autokratischen Präsidialsystem positioniert hätten.

„Das war auch nicht in Ordnung“, sagt Dingersu. Er appellierte an beide Seiten, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und in die Zukunft zu schauen: „Wir müssen Frieden finden.“